3. März 2014

Ich würde gerne Alpha Centauri sehen

„Pauls fantastische Abenteuer“ – Ein Kindercomic nicht nur für Kids

Lesezeit: 2 min.

Die ersten drei Seiten sind ein Hammer: Hier lernen wir Pauls Familie kennen. Die biederen, leicht beschränkten Eltern, den fiesen kleinen Bruder, das Meerschweinchen. Chaos, Zoff und eine saftige Ohrfeige wie man sie seit Goscinnys großem „kleinen Nick“ nicht mehr so spontan und wunderbar unkorrekt gesehen hat. Dann klingeln wie aus dem nichts zwei Wissenschaftler und bieten Paul an, Teil einer Expedition zum Alpha Centauri zu werden. Paul muss nicht lange überlegen.

Zwei Comics haben gereicht, um Émile Bravo hierzulande bekannt zu machen. Den Anfang machte „Spirou: Portrait eines Helden als Tor“, der am Vorabend des Zweiten Weltkriegs spielte und dem berühmten Pagen einen Background verpasste, der so nostalgisch wie erwachsen und intelligent war. Gefolgt von „Meine Mutter ist in Amerika“, einer schmalen Graphic Novel, die mit großer Sensibilität von einem Jungen erzählte, der über den Tod seiner Mutter hinweg kommen musste. Letztere wurde 2010 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet.

Aber Bravo (geb. 1964 in Paris) ist keineswegs vom Himmel gefallen. Er ist seit den späten 1980er Jahren aktiv und nun wird mit „Pauls fantastische Abenteuer“ auch seine bisher größte Serie in Deutschland verlegt, die seit ihrem Start im Jahre 1999 mittlerweile auf sechs Bände angewachsen ist.

Und gleich dieser erste Band – „Sprung in die Zukunft” – zeigt, warum Bravo ein Ausnahmetalent ist. Ohne mit der Wimper zu zucken mischt er die wildesten Dinge zusammen und tütet ein Abenteuer ein, das von Beginn an erstaunt und fast ein bisschen sprachlos macht. Zwischen Tim & Struppi, Captain Future, Star Trek und Akte X ist hier so ziemlich alles möglich, nur eins nicht: Langeweile. Denn welches Kind will schon wissen, ob es realistisch ist, dass Kinder diese Expedition zum nächsten Stern begleiten, Hauptsache, man ist dabei! Und wieso sollte man sich wundern, dass einer dieser Wissenschaftler mindestens so durchgeknallt ist wie Professor Farnsworth aus Matt Groenings Futurama-Serie (die übrigens zeitgleich zu „Paul“ entstand!)? Paul hat einfach keinen blassen Schimmer, auf was er sich da einlässt. Und das ist wohltuend (und entwaffnend zugleich).

Dazu ist Paul nur eine von vielen wunderbaren Figuren in einem Band, der ausnahmsweise wirklich „für groß und klein“ geeignet ist. Man weiß gar nicht so recht, wo man anfangen soll, man gerät einfach zu leicht ins Schwärmen. Und die kleinen Unebenheiten, die kleinen Ausrutscher verzeiht man angesichts der Fülle an Fantasie und Witz gern. Und wenn man sieht, wo Bravo in den nächsten zehn Jahren angekommen sein wird, darf man sich auf die folgenden Bände gerne freuen.

Übrigens: Die letzten drei Seiten sind auch ein Hammer.

Émile Bravo: Pauls fantastische Abenteuer 1: Sprung in die Zukunft • Carlsen, Hamburg 2014 • 56 S. • €9,99

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.