10. September 2014 3 Likes 1

Apple und der Rest des Universums

Das iPhone 6 ist das Gerät, das wir verdient haben, Punkt.

Lesezeit: 3 min.

Der Schlüsselmoment in Apples großer Präsentation gestern, in der nicht nur zwei neue iPhones angekündigt, sondern auch die lange herbeigesehnte Apple Watch enthüllt wurde, hatte eigentlich nichts mit Apple selbst zu tun, sondern mit uns, den Gerätekäufern, Internetnutzern und Datenproduzenten.

Natürlich ging es in Cupertino gestern zwei Stunden lang um nichts anderes als neue Apple Produkte. Das iPhone 6 mit seinem großen Bruder iPhone 6 Plus wurde vorgestellt, und neben den bereits seit Jahren erwarteten größeren Displays, einem leistungsstärkeren Chip in 20-Nanomenter-Technologie und einer im iPhone 6 Plus optisch stabilisierten Kamera bietet Apple nun auch eine Bezahlfunktion via Touch ID an. Das Bezahlen mit dem Fingerabdruck soll damit massentauglich werden.

Mit den mittlerweile berühmten Worten „One more thing…“ zeigte CEO Tim Cook dann endlich das, was gerüchteweise schon seit Jahren in Entwicklung war: die Apple Watch. Mit einer neuen Benutzeroberfläche und bislang bei Apple ungekannten Anpassungsmöglichkeiten und Designvarianten ist sie sicherlich das innovativste Gerät in der jüngeren Geschichte des Computergiganten. Und wie eigentlich seit Beginn von Apple ist die Apple Watch weder das erste noch das billigste Gerät seiner Kategorie. Ob sie dennoch, wie schon beim iPhone und iPad zuvor, zum definitiven Gerät werden wird – wo doch Motorola mit dem 360 gerade eine Smartwatch herausgebracht und Google mit Android Wear das Betriebssystem dazu entworfen hat –, das muss sich erst noch zeigen. Erhältlich ist sie erst nächstes Jahr. Stehende Ovationen für die Apple Watch gab es gestern sowieso, und die Tech-Magazine überschlagen sich mit Analysen und Hintergrundinfos dazu.

Dennoch: Der Schlüssel zum Verständnis von Apple und seiner Rolle in unserer Wohlstandswelt war der neue Werbeclip, den Cook präsentierte. Wenn ein führendes Technologieunternehmen die eröffnenden Takte von Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“ in einer Acapella-Version von Justin Timberlake und Jimmy Fallon erklingen lässt und dazu die iPhones mit einem filmischen Zitat aus Stanley Kubricks 2001 – A Space Odyssey inszeniert, dann sollte uns allen klar sein, wer wir Menschen in den Augen Apples sind: enthusiasmierte Primaten, die sich in einer orgiastischen Explosion von Gier und Gewalt (ein Blick in die afrikanischen Erzminen und an die chinesischen Fabrikfließbänder genügt) dem Phänomen einer selbst im globalen Maßstab kaum erfassbaren und kontrollierbaren Technologie zu nähern suchen.

Dabei ist das schon längst kein Apple-Phänomen mehr. Der Weltmarkt wird von Smartphones insbesondere mit Googles Android-Betriebssystem geradezu überschwemmt, Windows versucht sich mit aller Kraft am Markt zu halten, und in diesem Sommer ist auch noch Amazon mit dem Fire Phone dazugestoßen. Wir, die Käufer solcher Geräte, die Nutzer des immer allgegenwärtigeren Internets, die Produzenten eines neuen weltpolitischen Kapitals, nämlich der Daten, stehen im Zentrum der Bemühungen von Apple, Google, Amazon und Co.

Hartmut Esslinger, der das Design des Apple Macintosh 1984 kreiert und damit die Apple Designsprache mitentwickelt hat, berichtet in seinem Buch „Genial Einfach“, dass Steve Jobs in Apple immer so etwas wie ein katholisches Unternehmen gesehen hat: eine Organisation, die ihre Kernbotschaft, nämlich das Produkt und das Design, einer strengen hierarchischen Kontrolle unterwirft, im Gegensatz zu den eher „protestantischen“, weil in Management-Gremien aufgeteilten Strukturen bei Windows oder Google.

Jedes Apple Special Event ist demnach ganz offensichtlich nichts anderes als eine zelebrierte Messe der Computertechnologie, und was Apple uns mit dem iPhone und der darum herum entstandenen Produktrausch- und Datenkontrollkultur sagen will, ist nichts anderes als das: Ihr versteht es nicht, aber ihr wollt es haben. Hier ist es. Das neue iPhone und die Apple Watch. Nehmt und esst, dies ist euer Leib, denn ihr werdet euch danach verzehren.

Die Frage ist also, ob wir in den Gesang mit einstimmen, uns weiterhin wie aufgeregte Primaten benehmen und sinnlos um den schwarzen Stein tanzen werden, oder ob wir aufstehen und erwachsen mit der Technologie umgehen wollen.

Kommentare

Bild des Benutzers Shrike

Das lieber Sebastian Pirling ist scharf, zynisch und provokativ formuliert. Aber es ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Ans Licht damit.

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