28. September 2014 1 Likes

Eine Brücke zwischen den Genres

In Kürze: Kij Johnsons Kurzgeschichten auf Deutsch

Lesezeit: 2 min.

Kij Johnson arbeitete schon als Buchhändlerin, Radiomoderatorin, Kellnerin in einem Stripclub und als Redakteurin für Tor, Dark Horse und Wizards of the Coast. Außerdem unterrichtet die 1960 geborene Amerikanerin als Lehrerin kreatives Schreiben und hat in ihren Workshops oft einen Schwerpunkt auf Science-Fiction. Sie selbst veröffentlicht seit Ende der 80er Erzählungen und Romane – und ist eine der Besten, wenn es um die literariche Kurzstrecke in Science-Fiction, Fantasy und magischem Realismus geht. Für ihre außergewöhnlichen, stilistisch versierten Storys wurde sie in den letzten Jahren bereits mit dem Nebula, dem Hugo, dem World Fantasy und den Theodore Sturgeon Memorial Award ausgezeichnet.

Im Oktober erscheint bei Golkonda, wo man schon wichtige Kurzgeschichtensammlungen von Ted Chiang, Paolo Bacigalupi und David Marusek auf Deutsch veröffentlicht hat, unter dem Titel „Pinselstriche auf glattem Reispapier“ erstmals eine erste Auswahl mit Storys von Kij Johnson in deutscher Sprache.

Alle Geschichten stammen aus „At The Mouth of the River of Bees“, Johnsons erster Original-Storysammlung. Die Auswahl des deutschen Bandes eignet sich vorzüglich, um die vielseitige Mrs. Johnson kennenzulernen – lediglich um die Alien-Porno-Geschichte Spar und die atmosphärisch überragende Science-Fantasy-Story The Horse Raiders ist es etwas schade. Aber hey! Was soll das Gemecker? Erfreulich genug, dass sich ein deutscher Verlag – natürlich ein Szenepublisher – um Johnsons Schaffen bemüht! So kommt der hiesige Leser in den Genuss herausragender Storys einer Autorin, die von Ursula K. LeGuin nicht umsonst in höchsten Tönen gelobt wird und ähnlich unaufgeregt, aber hervorragend schreibt wie die Grande Dame.

Unter anderem findet sich im ersten deutschen Band mit Kij Johnsons Geschichten die Novelle „Die Brücke über den Nebel“, eine mit dem Hugo und dem Nebula Award ausgezeichnete SF-Erzählung über einen Ingenieur, der den Nebel, in dessen unergründlichen Tiefen die Monster hausen, überbrücken soll und sich während der langwierigen, schwierigen Arbeit in eine raue Fährenschifferin verliebt. Diese Geschichte in den nebeligen Gefilden zwischen Fantasy und Science-Fiction darf, nein, muss als modernes Genre-Meisterwerk in der Tradition des viel zu früh verstorbenen Lucius Shepard gesehen werden.

Wer beim Begriff Fantastik nicht in Schubladen denkt, kommt auf keinen Fall an Kij Johnsons Erzählungen vorbei. Vormerken!

Kij Johnson: Pinselstriche auf glattem Reispapier • Golkonda, Berlin 2014  • 232 Seiten • €16,95

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