28. Dezember 2014 3 Likes

Ahoj, 2015!

Hat die Vergangenheit noch eine Zukunft? Aber ja! – Eine Kolumne von Hartmut Kasper

Lesezeit: 3 min.

Es schlägt mal wieder Weihnachten, Silvester, Dinner for One. Im verlässlichen Gleichmaß der Zeitenwechsel sind die letzten Zuckungen des Jahres 2014 verblasst. Was bleibt in Erinnerung? Der Niedergang des Rubels oder doch eher der Niedergang des Vereins für Bewegungsspiele Stuttgart? Erdogans nachträgliche Erstentdeckung Amerikas hat mir gefallen; auch die Erkenntnis seines Wissenschaftsministers Fikri Işik, Galileo habe sich seinerzeit für die Kugelgestalt der Erde eingesetzt, wusste zu amüsieren.

Die Schlagzeile „Bundeskabarett beschließt PKW-Maut“ hätte sicher das Zeug, noch in Jahrzehnten gesungen zu werden, war aber leider nur ein Lesefehler – tatsächlich hatte wohl zuständigkeitshalber das Bundeskabinett in dieser Sache beschlossen. Immerhin sei der Beschluss „nach monatelangem Ringen“ gefallen, wie am 17. Dezember 2014 im Nachrichtenbasar von t-online vermeldet ward. Das ist schön für die Maut. Gerne hätte man Näheres über dieses Ringen erfahren, wer mit wem auf die Matte gestiegen, in welchen Trikots, wer in wessen Schwitzkasten geächzt und gestöhnt und den Rücken durchgebogen hat und so weiter. „Mit mir wird es eine Maut nicht geben“, hatte unsere vorherige Kanzlerin verheißen, und ich habe bis heute keinen Grund, an ihrem Wort zu zweifeln. Wer also mag das sein, die da unter ihrem Namen und unter der Merkel-Frisur der Bundesregierung vorsteht? Markus Lanz? Der hat ja Zeit.

Früher ist die Weihnachtszeit eingeläutet worden durch einen Vierteiler der Augsburger Puppenkiste. Und in Vorbereitung auf die konkreten Weihnachtstage pflegte ich mir die Weihnachtssonderhefte von Felix, Fix & Foxi und Micky Maus zu kaufen. Das half nicht wenig, die Festtagszeit zu überstehen, ja, es verlieh den ansonsten ereignisfreien Tagen einen besonderen Glanz. Man fläzte sich auf die Couch, las, und das alte Jahr rollte über einen hinweg mit derselben taktvollen Lautlosigkeit, mit der das neue heranrollte (vom knallfroschgetösigen Silvestergeballer einmal abgesehen).

Nun aber sind Felix und die spaßigen Füchse so untergegangen wie Atlantis, und das deutsche Fernsehen hat die Puppenkiste lange schon nicht mehr engagiert. Wozu auch, hat man doch mit Jauch & Co. genug hölzern agierendes Personal in der eigenen Bude, das sich zudem ungelenker als Bill Bo und seine Bande durch die Jahresrückblicke bewegt.

Aber ich will der Vergangenheit nicht nachweinen. Vorwärts denken, nimmer klagen! Immerhin ist TRI TOP wieder da, und es gibt immer noch die AHOJ-Tütchen, voll von diesem „Brauselimonaden-Pulver für alle Bevölkerungsschichten“ aus Stuttgart, das anno 1925 (vor 90 Jahren!) auf den Markt geworfen wurde. Die PEZ-Tabletten haben überlebt, und die große Marianne Faithful hat gar ein ganz neues Album vorgelegt, dem ich gerne lausche: „Give My Love To London“. Wer die famose Augsburger Puppenkiste in Aktion sehen möchte (und wer möchte das nicht?), wird heuer mit „Frau Holle“ und „Die kleine Hexe“ unterhalten. Selbst Jerry Cotton ist noch da, dieser offenbar unsterbliche FBI-Agent aus der Bastei, der, Glückwunsch, Mitte September 2014 seinen dreitausendsten Fall löste. Möge er das Angebot der GroKo, abschlagsfrei in Frührente zu gehen, noch hundert Jahre ignorieren!

Hat die Vergangenheit also noch eine Zukunft? Aber ja!

Ich jedenfalls habe mir jüngst einen Rubel zugelegt. Er ist zurzeit günstig zu haben. Ungefähr so groß wie eine Ein-Euro-Münze rollt er unternehmungslustig durch meine Wohnung.

Ich werde seinen Fall beobachten.

Hartmut Kasper ist promovierter Germanist, proliferanter Fantast und seines Zeichens profilierter Kolumnist.

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