31. Dezember 2014 5 Likes 2

Fantastischer (Zombie-)Realismus

V. M. Zitos „Return Man“

Lesezeit: 4 min.

Machen wir uns nichts vor: Zombie-Geschichten habe ich mit 14 zwar gerne konsumiert, aber seither erscheinen sie mir lächerlich. Immer das gleiche Davonrennen und Herumschreien, stets dieselbe Angst vor Ansteckung und ständig diese Lust am „gore“; ernsthaft kann das nur lesen, wer sich auch gerne Folterfilme ansieht – oder eben jünger als vierzehn ist. Schon allein das ganze Konzept, das hinter den Zombies steckt, hat weder mit Literatur noch mit Naturwissenschaft zu tun, sondern basiert auf atavistischen Ängsten vor wiederkehrenden Toten, wie sie unter anderem in Voodoo-Kulten gepflegt wurden. Den Schritt vom albernen Horror zur wissenschaftsorientierten Science Fiction versuchen zwar einige Machwerke, indem sie als Grund für die „Zombiekrankheit“ ein Virus postulieren – doch auch sie enden früher oder später in Schießerei und Blutorgien.

Freilich sind Zombie-Erzählungen seit George A. Romeros ersten Filmen meist auch eine Reflexion politisch-gesellschaftlicher Strömungen und man könnte sie als „fantastischen Realismus“ betrachten, welcher den Zombie als Metapher für den „common sense“, das gemeinsame Unbewusste, mit all seinen Phobien und Lustwünschen verwendet. Spätestens seit 9/11 spiegelt sich in den marodierenden Horden Untoter auch die Furcht vor terroristischen Angriffen auf unsere traute Eigenheimwelt. Nicht zuletzt Filme wie World War Z und die 28 Days Later-Reihe dramatisieren diesen Aspekt ins Gigantische und täuschen uns in ihrer technologisch perfekten Bildgewaltigkeit vor, schon das nächste Vogelgrippe-Virus könne der Auslöser einer weltweiten Apokalypse sein.

Genau hier setzt auch „Return Man“ (im Shop) ein, der Debüt-Roman von V. M. Zito, Creative Director einer Werbeagentur. Im Nachwort erwähnt er freimütig, seine größte Angst sei es, von Zombies bei lebendigem Leib aufgefressen zu werden – so viel Leidenschaft für das Thema klingt dann doch wieder sympathisch, und er transportiert diese Furcht natürlich eins zu eins in seine Geschichte: Die „Zombiekalypse“ hat hier bereits stattgefunden und die USA sind aufgeteilt in die „Sicheren Staaten von Amerika“ im Osten und … nun ja, Zombieland im Westen. Niemand, der noch über einen konventionellen Stoffwechsel verfügt, hält sich freiwillig dort auf – mit einer Ausnahme: Henry Marco, ein Epigone der unzähligen wortkargen, verbitterten Helden amerikanischer Literatur. Da ihm die Einreise in die sicheren Staaten verweigert wird, bestreitet er seinen Lebensunterhalt mit einer etwas eigenwilligen Art der Totenbetreuung: die im Osten lebenden Hinterbliebenen von Zombies beauftragen ihn, im Westen nach ebendiesen zu suchen und ihnen (mit einem gezielten Kopfschuss) die ewige Ruhe zu geben. Hat man sich erst einmal auf die – wie oben erwähnt völlig absurde – Grundprämisse lebender Toter eingelassen, erscheint einem ein solcher Plot auf einmal ganz folgerichtig, und so macht man sich mit Henry auf die Suche nach dem nächsten „Klienten“ irgendwo in der urbanen Wildnis dort draußen. Zombies, so heißt es im Roman, würden von einem Rest an Erinnerung gesteuert, der sie immer wieder zu Orten führen würde, die sie in ihrem „früheren Leben“ kannten. Henry muss also nur herausfinden, welche Orte das sein könnten und dort auf sein Opfer warten.

Da der Autor durchaus spannend und stringent schreibt, verzeiht man ihm, dass das erste Drittel des Buches brav allen plot points und dramatischen Entwicklungen folgt, die man aus Hunderten Werken der Horrorliteratur kennt. Dann jedoch tatsächlich ein origineller Einfall: Henry wird von niemand anderem als der Regierung beauftragt, ins „schwarze Herz“ von Zombieland einzudringen, denn im Labor eines ehemaligen Hochsicherheitsgefängnisses könnte sich zumindest eine Erklärung für die Entstehung der Krankheit finden – wenn nicht sogar ein Heilmittel. In einem Parforceritt durch endzeitliche Szenarien überwindet der Held in Folge zahlreiche Fallen und Hindernisse, schließt eine ungewöhnliche Kampfpartnerschaft mit einem chinesischen Spezialsoldaten und wird – als emotionale Triebfeder – von Gedanken an seine verschwundene Frau heimgesucht, die vielleicht noch irgendwo lebt.

Die Sprache des Romans bleibt dabei stets trocken und genau, verliert sich nicht zu sehr in Blumigkeiten (außer wenn es um die Beschreibung diverser Verfallsstadien menschlicher Körper geht) und führt die Handlung konsequent bis zum Showdown im Gefängnis. Dort warten gleich zwei interessante Überraschungen: Jemand, den Henry von früher kennt, und in der Tat eine (zumindest für mich) neue Theorie über die medizinischen Hintergründe der Zombiekrankheit. Respekt, dass V. M. Zito sich hier etwas zumindest ansatzweise überlegt hat, das in seiner Wissenschaftlichkeit im Kontext des „fantastischen Realismus“ absoluten Seltenheitswert hat. Insofern vermittelt das Buch allen Fans des Zombiegenres sicherlich einen neuen Aspekt und schafft tatsächlich einen Funken Science-Fiction-Atmosphäre.

V. M. Zito: Return Man • Wilhelm Heyne Verlag, München 2013 • 544 Seiten · € 7,99 (im Shop)

Kommentare

Bild des Benutzers Horusauge

Ich verstehe den Hype um Zombies immer noch nicht, werde ich wahrscheinlich auch nie.

Bild des Benutzers DerSinn

Habe ich früher auch nicht. Aber irgendwie hat mich "The Walking Dead" dann doch gekriegt...

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