29. März 2016 3 Likes

Krieg ums Wasser

Paolo Bacigalupis SF-Thriller „Water – Der Kampf beginnt“

Lesezeit: 3 min.

Seit über zehn Jahren bereichert Paolo Bacigalupi (im Shop) die zeitgenössische Science-Fiction mit seinen langen und kurzen Prosawerken. In der Zukunft vieler seiner Romane und Storys folgt er dem bedenklichen Pfad, den unsere Welt unbestreitbar eingeschlagen hat, und nutzt klimatische und wirtschaftliche Kollapse, das Verschwinden von Rohstoffen oder überhandnehmende Gentechnik als Aufhänger seiner Geschichten. Das bescherte seinen faszinierten Lesern schon großartige SF-Romane wie „Biokrieg“, „Schiffsdiebe“, und „Versunkene Städte“ sowie hierzulande die Kurzgeschichtensammlung „Der Spieler“. Jetzt ist Bacigalupis neuester Roman „Waterknife“ als „Water – Der Kampf beginnt“ in der Übersetzung von Wolfgang Müller bei Blessing als Hardcover und als E-Book auf Deutsch erschienen.

„Water“ setzt in einer bedrohlich nahen Zukunft ein. Wirbelstürme und Dürren haben den ganzen amerikanischen Kontinent verändert. Während die Drogenkartelle Mexiko außerdem endgültig unter sich aufteilten, werden die Konflikte zwischen den einzelnen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten immer größer. Der Schatten des Bürgerkriegs hängt vor allem über dem trockenen, staubigen Südwesten der USA, wo das Wasser knapp geworden ist und man an vielen Tagen ohne Staubmaske und Schutzbrille gar nicht aus dem Haus kann. Wer das Wasser hat und seinen Fluss bestimmt, hat die Macht, ganze Städte zu verdammen. Metropolen wie Phoenix sind am Austrocknen und Sterben, gleichzeitig entstehen hoch moderne Arkologien mit komplexen Wasseraufbereitungsanlagen, in denen die reichen Angestellten der Unternehmen wohnen, die mit Grundwasserleiter-Fracking die letzten Wasser-Reserven aus der Erde saugen – oft genug bloß leere Versprechen. In den Luxus-Appartements über der Stadt heißt es trotzdem Duschen statt Dürsten. Die einzelnen Bundesstaaten schicken unterdessen Söldner-Trupps und Milizen in den erbitterten Kampf ums Wasser und die wichtigen Rechte am Colorado River. Menschen werden ermordet, Wasserwerke und Staudämme gesprengt. In diesem blutigen Strudel eskalierender Gewalt ertrinken Männer und Frauen aus allen Gesellschaftsschichten, darunter die mutige Reporterin Lucy, die junge Maria und Angel, der als erfahrener Problemlöser und so genanntes Waterknife  für die Wasser-Königin von Nevada arbeitet …

Allein vom Setting und den realistisch-endzeitlichen Details her ist das alles ganz klar Paolo Bacigalupi – logisch, der Roman wurde ja auch von Bacigalupis eigener Story „The Tamarisk Hunter“ aus dem Jahre 2006 inspiriert. Dennoch fällt beim Lesen schnell auf,  dass Mr. Bacigalupi, der in den letzten Jahren alle wichtigen SF-Preise zwischen Hugo, Nebula, Locus und John W. Campbell Memorial Award gewonnen hat, ein ordentliches Stück aus dem vermeintlichen Genre-Ghetto rauskommt, um es mal provokant auszudrücken. Nach mustergültiger Biopunk-Science-Fiction und Young-Adult-Science-Fiction ist nun also das nächste Etikett, die nächste Schublade dran – die nächste Zielgruppe im Visier. Es hat am Ende vielleicht doch nicht gereicht, dass „Biokrieg“ ein New-York-Times-Bestseller war. Mit „Water“ wendet sich Bacigalupi fraglos an ein breiteres Publikum und sucht mit gefälligem Plot und passenden Protagonisten, klarer Sprache sowie Gewalt, Folter und Sex den Kompromiss zwischen der fantastisch-visionären Genre-Literatur und einem packenden und drastischen, mainstreamtauglichen Öko-Thriller. Aber wir wissen ja, dass Krimis ein exzellentes Vehikel für Science-Fiction sein können, und das mahnende Setting im nahen, veränderten Morgen ist und bleibt natürlich auch, was es ist, selbst wenn Bacigalupi andere Schwerpunkte setzt als in früheren Büchern.

Da der Balance-Akt am Ende für alle ziemlich gut funktioniert und der Roman unterm Strich immer noch genug von dem enthält, was SF-Fans an Bacigalupi schätzen gelernt haben, kann man dem Amerikaner nur wünschen, dass der Plan aufgeht und er mit „Water“ mehr Leser findet denn je.

Paolo Bacigalupi: Water – Der Kampf beginnt • Blessing, München 2015 • 464 Seiten • Hardcover: 19,99 Euro

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