27. Juli 2016 3 Likes

Zukunftsvisionen

Die Berliner Tchoban Foundation zeigt faszinierende Beispiele der „Anime Architektur“

Lesezeit: 2 min.

Mamoru Oshiis Anime „Ghost in the Shell“ (1995) gilt als Meisterwerk des Science-Fiction-Kinos, ein visionäres Werk, ohne den die „Matrix“-Filme undenkbar wären und auf dessen Cyberpunk-Ästhetik sich zahllose andere Werke beziehen. Ein Teil des Erfolgs von „Ghost in the Shell“ blieb stets ein wenig im Hintergrund, auch wenn er entscheidend zur Atmosphäre beigetragen hat: Die Architektur des futuristischen Schauplatzes, atemberaubende Entwürfe einer Stadt, die doch deutlich in der Realität verhaftet ist. Kein Wunder, basieren viele der Entwürfe, die nun in einer kleinen Ausstellung in der Berliner Tchoban Foundation für Architekturzeichnung zu sehen sind, auf Fotos von Hongkong. Man muss noch nicht einmal selbst durch die Häuserschluchten der wuchernden Metropole gelaufen sein, um die typische Hongkong-Architektur in „Ghost in the Shell“ wiederzuerkennen, so präsent ist die Stadt im Kino der letzten Jahrzehnte. Das faszinierende an den zahlreichen schwarzweißen Konzeptzeichnungen und den farbigen, im Film verwendeten Hintergrundbildern ist jedoch, wie Oshii und seine Designer die Gegenwart Hongkongs von Mitte der 90er Jahre mit wenigen Eingriffen in eine Zukunftsvision verwandelt haben.

Keine komplett erfundenen Glaspaläste sind da zu sehen, keine offensichtlich künstlichen Entwürfe, sondern nur Änderungen im Detail, eine futuristische Hochbahn etwa oder ein schwebendes Hausboot, das damals in fast ähnlicher Form im Hafen gelegen haben dürfte, im Film dann in den Häuserschluchten schwebt. So weit ist die Technik in den 20 Jahren seit Fertigstellung des Films zwar noch nicht fortgeschritten, doch die rasante Entwicklung Hongkongs, das unermüdliche Bauen und Neubauen lässt das einst futuristische „Ghost in the Shell“ inzwischen fast realistisch wirken. Was damals wie ein Blick in die Zukunft wirkte ist nun Gegenwart, ein Effekt, der an einem anderen Film noch frappierender zu erkennen ist: Oshiis „Patlabor“ von 1989 spielte im Tokio von 1999 und griff ebenso wie „Ghost in the Shell“ nur minimal in das reale Stadtbild ein.

In die andere Richtung, in die architektonische Vergangenheit, blickte dagegen der Regisseur Rintaro in seinem 2001 gedrehten „Metropolis“ (in Deutschland als „Robotic Angel“ bekannt), einer Variation von Fritz Langs Klassiker. Dementsprechend zeigen die Konzeptzeichnungen zu diesem gleichermaßen futuristischen wie nostalgischen Film deutliche Anleihen an der Art Deco Architektur der 20er Jahre, bis hin zu einem direkten Zitat der legendären Radio Music Hall, die hier zum Radio City Paradise wird.

Komplettiert wird die zwar kleine, aber sehenswerte Ausstellung, die noch bis Mitte Oktober läuft, durch Filmausschnitte, die exakt jene Szenen aus „Patlabor“ und „Ghost in the Shell“ zeigen, von denen sowohl Konzeptzeichnungen, als auch Backgrounds ausgestellt sind: Der Weg von Zeichnung zum Film wird dadurch eindrucksvoll nachvollziehbar, die Bedeutung der animierten Hintergründe vor das filmische Erlebnis aufs schönste deutlich.

Anime Architektur, Tchoban Foundation. Museum für Architekturzeichnung, bis 16. Oktober 2016, Christinenstraße 18a, 10119 Berlin. www.tchoban-foundation.de

Großes Bild oben: Hintergrund für Ghost in the Shell (1995) ©1995 Shirow Masamune / KODANSHA · BANDAI VISUAL · MANGA ENTERTAINMENT Ltd.

Hintergrund für Ghost in the Shell (1995) © 1995 Shirow Masamune / KODANSHA · BANDAI VISUAL · MANGA ENTERTAINMENT Ltd.

Layout für Ghost in the Shell (1995) © 1995 Shirow Masamune / KODANSHA · BANDAI VISUAL · MANGA ENTERTAINMENT Ltd.

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