Heiliger Ernst
„The Dark Knight Rises“ – Nolans Trilogie endet
Christopher Nolans drittes und voraussichtlich letztes Batman-Epos liefert die definitive Antithese zum Anti-Hai-Spray. Mit heiligem Ernst und dramatischem Dröhnen überführt der vermeintliche Regie-Gott den DC-Helden endgültig ins Reich der Finsternis und des düsteren Dooms – mehr »dark« in Dark Knight war nie.
Acht Jahre nach seinem Kampf gegen Two-Face Harvey Dent und den Joker hat Bruce Wayne das schwarze Cape an den Nagel gehängt und lebt als schratiger Howard-Hughes-Verschnitt zurückgezogen in seinem Herrenhaus. Doch der Diebstahl eines wertvollen Erbstücks durch die zwielichtige Selina Kyle sowie das Auftauchen des brutalen Söldners Bane locken ihn aus seiner Reserve. Schnell stellt sich heraus, dass beide Ereignisse miteinander zusammenhängen – und dass der Schlüssel zu den rätselhaften Geschehnissen rund um gestohlene Fingerabdrücke, destruktive Börsenspekulationen, feindliche Firmenübernahmen und eine gefährliche neue Energiequelle in Bruce Waynes Vergangenheit liegen. Denn Banes elaborierter Plan soll Rha’s al Ghuls Werk vollenden und Gotham City endgültig dem Boden gleichmachen. Wayne muss den Bat-Man reaktivieren und sich am Ende (vermeintlich) selbst opfern, um seine Stadt zu retten.
Wie schon bei Batman Begins und The Dark Knight bedienen sich die Nolan-Brüder für diesen Plot wieder zahlreicher verschiedener Elemente aus dem reichen Fundus der Batman-Literatur – im Mittelpunkt stehen hier vor allem die Knightfall-Saga (Bane und der legendäre Rückgrat-Bruch) sowie die Comic-Runs No Man’s Land und Cataclysm (Gotham als isolierter Schauplatz von Anarchie und ausufernder Gewalt). Doch Nolan wäre nicht Nolan, wenn er es dabei beließe – für den ganz großen Entwurf, den er im Sinn hat, schmeißt er außerdem noch Dickens’ »A Tale Of Two Cities«, die französische Revolution, die Occupy-Bewegung sowie zahlreiche weitere literarische und realweltliche Bezüge in den Mix. Ein Potpourri, das mitunter etwas überladen wirkt und in seiner Orientierung auf aktuelle Entwicklungen allzu bemüht – wie überhaupt dieses ganze Bestreben, seinen Comic-Superhelden und dessen fiktives Universum möglichst realistisch erscheinen zu lassen, nicht wirklich nachvollziehbar ist.
Und dennoch funktioniert das alles als etwas krude Genremischung stellenweise ganz wunderbar, denn eine Riege ausgezeichneter Darsteller (allen voran Joseph Gordon-Levitt als idealistischer junger Cop und designierter neuer Batman sowie der fantastische Gary Oldman als Commissioner Gordon) und die knackige Regie sorgen immer wieder für packende Sequenzen, die ganz eindeutig für die große Leinwand geschaffen wurden. Zwischen Polizeithriller, Katastrophenfilm, mystischem Wüstenabenteuer, politischer Allegorie und SF-Action springt dieses Monstrum hin und her und hat auf all diesen Gebieten einiges zu bieten – der wummernde Hans-Zimmer-Soundtrack hält die scheinbar disparaten Elemente zusammen, die Kamera bietet ein ums andere Mal wunderbar eisige Bilder des winterlichen Gothams, die vielen Schauplätze in- und außerhalb der Stadt zeigen eine Batman-Welt, deren Scope tatsächlich so bisher noch nicht zu sehen war.
Leider bleibt bei all der Ambition ausgerechnet der titelgebende Dunkle Ritter auf der Strecke – denn wenn nach fast drei Stunden der Abspann über die Leinwand donnert, ist nicht wirklich klar, wessen Geschichte man da nun eigentlich gesehen hat. Bruce Waynes? Jon Blakes? Selina Kyles? Banes? Oder gar Alfreds? The Dark Knight Rises ist ein wirklich schön anzusehendes Blockbuster-Stück, aber für einen Batman-Film gibt es hier einfach entschieden zu wenig Batman. Auch Christopher Nolans Zurückhaltung bei der Adaption fällt wieder negativ ins Gewicht – warum darf Catwoman nicht Catwoman heißen? Und warum ist Robin hier eine Figur, die mit dem Comic-Vorbild gar nichts mehr zu tun hat?
Natürlich spricht nichts gegen eine eigenständige Interpretation der Vorlage, aber wenn man sich zu weit vom Stoff entfernt, bleibt am Ende nicht mehr viel davon übrig. Immerhin sind mal wieder ganz idiosynkratische Elemente zu sehen, die noch The Dark Knight schmerzlich vermissen ließ, wie etwa die Bat-Höhle oder Wayne Manor. Und dennoch bleibt am Ende der Eindruck, einen Film »basierend auf« Motiven von Bob Kane gesehen zu haben, ein düsteres Drama mit Shakespeare-Schimmer, das seine Wurzeln gleichzeitig etwas zu ernst und nicht ernst genug nimmt. Nolan hat einerseits den Mut, etwas sehr Eigenständiges zu schaffen, ist andererseits aber zu zögerlich, wenn es darum geht, einfach auch mal Fünfe gerade sein zu lassen und sich der immanenten Albernheit des Stoffes hinzugeben (ein Aspekt, der beispielsweise Joss Whedons The Avengers stellenweise zu herrlichem Blödsinn machte). Zugutehalten muss man ihm dabei, dass seine Welt, das von Fanboys höfisch verehrte »Nolanverse«, tatsächlich vor körnigem 2-D-Naturalismus nur so strotzt – eine nicht zu unterschätzende Qualität im Zeitalter immer cartooniger werdender CGI-Spektakel.
Nolan, Bale & Co. haben verlauten lassen, dass dies ihr letzter Ausflug nach Gotham City war. Unterm Strich bleibt eine recht durchwachsene Trilogie, deren Finale den wahrscheinlich besten Film der Reihe repräsentiert. Das Reboot ist natürlich schon in Planung, und auch im Rahmen der unvermeidlichen Justice Leage-Adaption wird man Bruce Wayne wiedersehen. So ist eben der Recycling-Rhythmus, und man kann das beklagen, wenn man möchte. Im Falle des neben Superman berühmtesten DC-Helden liegt hier jedoch die äußerst willkommene Chance, dass endlich mal wieder jemand einen richtigen Batman-Film macht.
The Dark Knight Rises • USA/UK 2012 · Regie: Christopher Nolan · Darsteller: Christian Bale, Tom Hardy, Gary Oldman, Joseph Gordon-Levitt, Anne Hathaway, Marion Cotillard, Michael Caine, Morgan Freeman, Matthew Modine
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