29. September 2016 2 Likes

Ein Katzenliebhaber auf dem Öko-Kriegsschiff

George R. R. Martins SF-Episodenroman „Planetenwanderer“

Lesezeit: 3 min.

George R. R. Martin (im Shop) ist der auflagenstarke Kriegerkönig der epochalen Gegenwarts-Fantasy, auf HBO genauso präsent wie in den Buchhandlungen und auf den Bestsellerlisten. Doch es gab eine Zeit vor dem Phänomen „Game of Thrones“, in der sich Martin zügellos in allen fantastischen Genres austobte – auch in den Gefilden der Science-Fiction, wo der bärtige Mr. Martin Einzelromane, Novellen und Kurzgeschichten verfasste. Eine gute Handvoll seiner älteren SF-Storys fernab von Westeros spielen in der Zukunft nach Erschließung des Alls durch die Menschheit, ergeben zusammen den Episodenroman „Planetenwanderer“ und sind gerade als Taschenbuch-Neuauflage (im Shop) erschienen.

Im Mittelpunkt der abenteuerlichen SF-Geschichten steht feiste Haviland Tuf, der in den Besitz eines gewaltigen Öko-Kriegsschiffes kommt, das Planeten dank seines Gen-Archivs und seiner Klon-Tanks mit Seuchen heimsuchen oder mit biotechnologischen Wundern für immer verändern kann. Zum Glück ist Tuf ein vernünftiger Typ, selbst wenn er auf seinen Reisen mit allerhand Unvernunft und Unfreundlichkeit konfrontiert wird. GRRMs korpulenter Protagonist ist ein intelligenter Einzelgänger; ein Vegetarier, Pilz-Fan und Katzenliebhaber, angetrieben von Nettigkeit, Neugierde und seinem Sinn für profitable Geschäfte. Dabei präsentiert Tuf sich als analytischer, leidenschaftsloser Stoiker, der in seiner Eloquenz und seinen Snobismus ein wenig an Sherlock Holmes erinnert, dem sein ausgleichender menschlicher Widerpart Watson abhanden gekommen ist. Unsympathisch macht Tuf das noch lange nicht – dafür ist sein schrulliges Auftreten viel zu vereinnahmend.


Die US-Buchausgabe von 1987

Im Original erschienen Tufs Weltraum-Abenteuer zwischen 1976 und 1985 in amerikanischen SF-Magazinen wie „Andromeda“ oder „Analog“, für die erste englischsprachige Buchausgabe kamen 1986 noch einige neue Storys dazu. George R. R. Martin entwickelte Haviland Tuf übrigens mit einem liebevolle Seitenblick auf den galaktischen Detektiv und Problemlöser Magnus Ridolph, eine Figur des großen Jack Vance (im Shop), den Martin schon vor Jahren als einen der größten SF- und Fantasy-Autoren aller Zeiten bezeichnet hat. „Vance hatte großen Einfluss auf meine Arbeit“, schrieb Martin deshalb auch angesichts Vance’ Tod im Jahre 2013 und ordnete sich mit folgenden Worten neben Neil Gaiman, John Scalzi (im Shop) oder Michael Moorcock in die Reihe der Vance-Bewunderer und Kondolierenden ein: „Mehr als 50 Jahre war er einer meiner Lieblingsautoren. Wann immer ein neuer Vance rauskam, ließ ich alles fallen.“ Für GRRM ist Vance’ Sterbende Erde genauso wichtig wie Robert E. Howards Hyborisches Zeitalter oder J. R. R. Tolkiens Mittelerde, wenn es um prägende Fantasy-Settings geht. „Vance verließ eine Welt, die er durch seine Geschichten bereichert hat“, so Martin weiter. „Mehr kann kein Autor verlangen.“

George R. R. Martins Leser verlangen heute in erster Linie die Fortsetzung von „Game of Thrones“, wo die TV-Serie den Büchern sogar enteilt. Um sich die Wartezeit auf das nächste literarische Kapitel des gewaltigen Epos zu verkürzen, taugen Martins frühere Werke – allen voran die höchst unterhaltsamen Episoden in „Planetenwanderer“ – allemal, insofern man Science-Fiction genauso gerne liest wie Fantasy. Und natürlich sind die Geschichten über Haviland Tuf noch heute eine charmante Space Opera und behandeln obendrein ungebrochen aktuelle Themen wie Gentechnik und das Eingreifen des Menschen in die Natur, Überbevölkerung, religiösen Fanatismus, Politik, Gier und Macht.

George R. R. Martin: Planetenwanderer • Episodenroman • aus dem Amerikanischen von Berit Neumann • Wilhelm Heyne Verlag, München 2016 • Taschenbuch • 512 Seiten • € 9,99 • Ebook € 8,99 (im Shop)

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