28. Oktober 2021 1 Likes

Christina Sweeney-Bairds „Die andere Hälfte der Welt“

Und täglich grüßt das Pandemie-Tier: Ein Endzeit-Roman unter den Eindrücken von Corona

Lesezeit: 3 min.

In Schottland bricht ein Virus aus, an dem nur die männlichen Infizierten sterben – Kerle in den besten Jahren, Kinder, Babys, Greise. Dr. Amanda Maclean, Oberärztin einer Krankenhaus-Notaufnahme in Glasgow, erkennt es als Erste und sieht die Katastrophe kommen, doch die zuständigen Behörden ignorieren sie und ihre Anrufe oder E-Mails – selbst ihr eigener Mann, der ebenfalls im Krankenhaus arbeitet, hört nicht auf Amanda. Dann ist es zu spät, das „männermordende“ Virus verbreitet sich im Vereinigten Königreich und startet schließlich seinen verheerenden, zahlreiche männliche Leben kostenden Siegeszug um die ganze globalisierte Welt, deren Gleichgewicht und Struktur es so drastisch verändert. Durch die fassungslosen Augen von Amanda, der britischen Geheimdienstagentin Dawn kurz vor dem Ruhestand, der Londoner Anthropologin, Autorin, Mutter und Ehefrau Catherine, der Virologinnen Lisa und Elizabeth aus Kanada beziehungsweise Amerika, des vor Island auf einem Schiff festsitzenden Toby, der abgeschieden lebenden Landwirtin Morwen sowie die Zeitungsberichte der amerikanischen Journalistin Maria Ferreira erleben wir die endzeitliche Stimmung im Angesicht der „Pest“ und der Pandemie …


Christina Sweeney-Baird. Foto © Sophie Davidson

Kommt einem irgendwie vertraut vor, oder? Na klar, und kein Wunder. Auch das Romandebüt der Britin Christina Sweeney-Baird (im Shop), die als Prozessanwältin für Unternehmen arbeitet und bereits Texte in renommierten Publikationen wie dem „Independent“ und der „Huffington Post“ veröffentlichte, ist letztlich das, was man fortan wohl als Corona-Literatur bezeichnen wird – also eine ganz bestimmte und aktuelle Form der Pandemie-Katastrophenliteratur, die von den realen Erfahrungen mit Covid-19 durchdrungen ist. Allerdings begann Sweeney-Baird, die zwischen London und Glasgow aufwuchs und heute in der englischen Hauptstadt lebt, die Arbeit an ihrem Buch „Die andere Hälfte der Welt“ 2018, noch vor Corona – sie und ihre Geschichte über eine Pandemie wurden daher voll von Corona, der Panik, den Verlusten, den Lockdowns und all dem getroffen. Das hatte natürlich Einfluss auf die fertige Version des Romans, der für uns nach den Jahren mit Corona umso glaubhafter und packender wirkt. Dasselbe gilt allerdings für die realistischen Frauenfiguren im Buch, die dieses stilistisch überzeugende Debüt obendrein mit einer gelungenen Vielstimmigkeit ausstatten.

„Die andere Hälfte der Welt“, von Carola Fischer gut übersetzt und im Original unter dem etwas griffigeren Titel „The End of Men“ veröffentlicht, existiert an der Schnittstelle zwischen unserer Wirklichkeit mit Corona sowie der Fiktion von „Y: The Last Man“ und anderen – und geht am Ende einen eigenen Weg, der nicht in die Postapokalypse, jedoch eine Zeit des Wandels führt, obwohl die Pandemie auf den 500 Seiten wesentlich mehr Raum einnimmt als die Konsequenzen. Christina Sweeney-Bairds Erstling wird nach z. B. dem ähnlich und doch ganz anders tickendem Roman „Die Letzte macht das Licht aus“ von Bethany Clift garantiert nicht das letzte Buch mit starken Bezügen und Eindrücken in Sachen Covid-19-Pandemie bleiben, aber sicherlich eines der gefälligeren.

Christina Sweeney-Baird: Die andere Hälfte der Welt • Roman • Aus dem Englischen von Carola Fischer • Diana Verlag, München 2021 • 496 Seiten • Erhältlich als Paperback, Hörbuch Download und eBook • Preis des E-Books: € 4,99 • im Shop

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