21. Mai 2017 1 Likes 1

Ein Hugo für alle

Hardy Kettlitz setzt seine Chronik des bedeutendsten Science-Fiction-Preises fort

Lesezeit: 3 min.

Erfolge verlangen nach Fortsetzungen – wobei diese allerdings von Anfang an geplant war: Als Hardy Kettlitz 2015 sein faktenpralles Buch „Die Hugo-Awards 1953–1984“ veröffentlichte, hatte er bereits vorgesehen, die Chronik bis in die Gegenwart fortzuführen. Der nun veröffentlichte erste Nachfolgeband umfasst die Jahre 1985 bis 2000 und ist ebenso unentbehrlich geraten wie sein Vorgänger. Erneut schildert Kettlitz Wissenswertes über die Preisträgerinnen und Preisträger, wobei er auch jene Nominierten nicht vergisst, die bei der Abstimmung unterlagen. Seine umsichtigen Anmerkungen erlauben es zudem, die prämierten Werke und Personen besser einzuschätzen.

Der Hugo ist ein Publikumspreis und wird seit 1953 einmal pro Jahr beim „Worldcon“ der World Science Fiction Society verliehen; stimmberechtigt sind alle Teilnehmer. Sein Name geht auf Hugo Gernsback (1884–1967) zurück, der als „Vater“ der frühen technikorientierten Science-Fiction gilt und das Genre tief geprägt hat. Von Anfang an konnte der Preis in mehreren Kategorien vergeben werden, wobei sich diese im Lauf der Jahre verändert und schließlich stark erweitert haben; während zwischen 1953 und 1984 rund dreihundert Hugos verliehen wurden, so sind es von 1985 bis 2016 etwa fünfhundert. Dank luftigem Layout und vielen kleinen Coverreproduktionen macht es jedoch auch dort Spaß, in dem Band zu blättern, wo über Jahre hinweg (oder zumindest sehr oft) dieselben Personen ausgezeichnet wurden, so Gardner Dozois für die Herausgabe von Asimov’s, Charles N. Brown für das „Semiprozine“ Locus oder der „Professional Artist“ Michael Whelan für seine Umschlagillustrationen. Doch dies sind eher Nebenschauplätze.

Als spannender erweisen sich die Vergaben in der Literatur. Nach 1985 wurden beispielsweise in der Sparte „Novel“ unter anderem „Neuromancer“ von William Gibson (im Shop), „Ender’s Game“ von Orson Scott Card (im Shop), „Hyperion“ von Dan Simmons (im Shop) und „The Diamond Age“ von Neal Stephenson ausgezeichnet, die heute anerkannte Klassiker sind. Kettlitz referiert wie immer gekonnt die Romaninhalte und betrachtet – sofern vorhanden – Fortsetzungen, Serienzugehörigkeit und Spieladaptionen. Sehr nützlich sind zudem kurze Zitate aus der Sekundärliteratur, also aus Aufsätzen, Kritiken oder anderweitigen Beiträgen. Hierbei nutzt Kettlitz völlig zu Recht die in kanonischer Absicht publizierte Übersicht „Science Fiction – The 101 Best Novels 1985–2010“ von Damien Broderick und Paul Di Filippo, zu der sich immer wieder Überschneidungen ergeben. Genauso aufschlussreich ist es allerdings auch, anhand dieser Liste zu sehen, welche Romane den Preis nicht erhalten haben. „Use of Weapons“ von Iain M. Banks (1990, im Shop) ging beispielsweise ebenso leer aus wie Bruce Sterling für „Holy Fire“ (1996, im Shop) oder China Miéville für „Perdido Street Station“ (2000, allerdings erst 2002 nominiert, im Shop). Ob es sich hierbei um die berühmte Kluft zwischen Kritiker- und Leserpräferenz handelt, möge jeder selber entscheiden; Tatsache aber ist, dass die mit dem Hugo prämierten Bücher nach 1985 weniger experimenteller und wagemutiger ausfallen als in den beiden Jahrzehnten zuvor. Die Science-Fiction, so scheint es bis heute, ist für den Großteil des Publikums vor allem in ihrer „geerdeten“ Version interessant.

Manchmal braucht es allerdings nur etwas Zeit, bis sich Qualität durchsetzt. So hatte der später mit Preisen förmlich überschüttete Ted Chiang bei den Hugo-Vergaben zunächst eine schweren Start: Seine frühen Kurzgeschichten „Tower of Babylon“, „Understand“ und „Story of Your Life“ (2016 unter dem Titel Arrival von Denis Villeneuve verfilmt) gingen leer aus. Allerdings erhielt Chiang 1992 den Hugo summarisch als bester Nachwuchsautor – einen Vertrauensvorschuss, den er seitdem gleich mehrfach eingelöst hat.

Fazit: Auch „Die Hugo-Awards 1985–2000“ überzeugt mit sauberer Recherche und exzellenter Zugänglichkeit; insbesondere das Register ist eine echte Hilfe – besser lässt sich eine solche Edition nicht machen. Wer mag, kann mit dem Buch in der Hand seine eigenen Bestände abgleichen, Lücken auffüllen oder endlich einmal wieder einen der aufgeführten Klassiker lesen. Der abschließende dritte Band ist bereits in Vorbereitung.

Hardy Kettlitz: Die Hugo-Awards 1985-2000 • Golkonda Verlag • 279 Seiten • € 18,90

Kommentare

Bild des Benutzers Johann Seidl

Freu mich, klasse Kompendium, sentimentaler Flashback :)

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