Florence Gaub: „Zukunft. Eine Bedienungsanleitung“
Ein sachlich-spannender wie äußerst angenehmer Anti-Angstmacher
Was ist eigentlich Zukunft und wofür ist sie da? Mögen dies für Leser:innen dieser Publikationsplattform zwei so naheliegende wie wahrscheinlich schon mehrfach erörterte Fragestellungen sein, so scheint bei genauerer Betrachtung eine solche Betonung für die meisten Menschen eher paradox. Denn schließlich denken wir doch alle permanent an Zukunft, ob nun die eigene unmittelbare oder in größeren Dimensionen, wie etwa die Zukunft unserer Gesellschaft oder gar des gesamten Planeten, gerade bei so viel Krieg und anderen Konstanten menschlicher Zerstörungskraft, wie sie uns stets begegnen.
Doch findet eine genauere Auseinandersetzung mit dem, was man Zukunft nennen kann, wirklich statt? Wenn ja, unter welchen individuellen Prämissen und mit welchen Zielen? Ist Zukunft etwas, was einfach so passiert oder etwas, was wir alle selbst tatsächlich gestalten können? Und wie könnte ein solches Gestalten letztlich mehr sein als nur kurzfristig pragmatische Fragen, was wir beispielsweise morgen essen oder wo wir gerne als nächstes Ziel in den Urlaub reisen oder gerne wohnen würden?
All die genannten Fragen werfen nur einige Schlaglichter auf das, was uns Florence Gaub mit ihrem jüngst erschienen Sachbuch „Zukunft. Eine Bedienungsanleitung“ (im Shop) im tatsächlich noch relativ jungen Feld der Zukunftsforschung näherzubringen versucht. Damit ist für manche Leser:innen sicher eine Überraschung verbunden, denn Gaub ist einem breiteren Publikum bislang als profund eloquente, manchmal intellektuell besonders zugespitzte Politikwissenschaftlerin bekannt, die insbesondere im Zuge des Ukrainekrieges als Kommentatorin nicht nur in Talkshows geschätzt wird. Florence Gaub ist allerdings neben ihren militärischen Schwerpunkten schon lange im Forschungsfeld Zukunft unterwegs (etwa als Mitglied des Future Council on Frontier Risks des World Economic Forums oder im Rahmen einer Gastprofessur am College of Europe) und weiß daher auch hier genau, wovon sie spricht.
Die deutsch-französische Politologin nimmt uns Leser:innen in ihrem kompakt gehaltenen Buch mit auf einen Streifzug durch die analytische Welt des Phänomens Zukunft, in dem ihr vor allem auch die Struktur des von ihr gewählten Untertitels „Eine Bedienungsanleitung“ wichtig ist. Denn nach Gaub ist es beim Nachdenken über Zukunft schon ein Faktor überhaupt zu berücksichtigen, dass der Umgang mit Zukunft erlern- und anwendbar ist, sowohl bezogen auf das eigene Leben wie die Perspektive auf größere soziale Zusammenhänge. Wie ein solcher Umgang „in Betrieb zu nehmen“ ist und welche „Bedienelemente“ dabei eine Rolle spielen, bildet für Gaub ebenso das Gerüst ihres Buches wie etwa der Umgang mit „Störungen“ oder gar eine von der Autorin nach fünf Hauptkapiteln im Schlussteil abgegebenen „Garantie auf Zukunft“.
Mag dies zunächst wie eine geschickte Sprachspielerei wirken, so entpuppt sich der Ansatz im Verlauf der Kapitel tatsächlich als ebenso inhaltlich geschickter Schachzug. Gaubs angenehm kurze, aber gut verständliche und nicht beliebig aneinandergereihte Ausflüge beispielsweise in die Geschichte der Philosophie, der Neurowissenschaft, der Psychologie, der Politik, der Kunst und der Soziologie zielen stets genau darauf ab, unsere Vorstellungen von Zukunft zu hinterfragen und gerade auch etwa aktuelle Vorstellungen dystopischer Zukunftsmodelle ebenso auf den Prüfstand zu stellen wie unseren alltäglichen Umgang mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Dazu gesellt sich u.a. die basale Erkenntnis einer über die Geschichte der Menschheit sezierbare Wechselwirkung verschiedener Diskurse über Zukunft, die zwischen ganz unterschiedlichen Vorstellungen von Unsicherheit ebenso geprägt sein können wie von einem utopischen Optimismus, der jedoch, je nach Zeit und Gesellschaft, ganz anders ausgeprägt sein konnte. Doch egal, an welcher Stelle des Spektrums man sich zu Beginn des Buchs verorten mag, Gaub zeigt stichhaltig auf, wie sich Zukunft schon immer gestalten ließ und wie wichtig jedes persönliche Engagement im Umgang mit eigener wie gesellschaftlicher Zukünftigkeit ist.
Hoffnung und Gestaltungswille sind daher in diesem Kontext nicht nur manchmal überstrapazierte Pathosbegriffe, sondern laut den hier versammelten Forschungsergebnissen und langfristigen Denkanstößen definitiv auch für uns gegenwärtige Leser:innen ein Gebot der Stunde. Gerade weil neue Ideen von Zukunft in allen möglichen Bereichen wie der Arbeitswelt, der Ökonomie, der Bildung oder natürlich der Ökologie sowie der Krisenprävention längst vorhanden sind und es eben, man möchte fast an Kant und die Zeit der Aufklärung denken, oft „nur“ den Mut braucht, sich ihrer zu bedienen. Die Angst vor der Zukunft ist schließlich ein oftmals allein sozial hervorgebrachtes, gerne instrumentalisiertes Konstrukt, das es zu reflektieren und somit zu überwinden gilt, wenn es nicht im Einzelfall eine positive Funktion im Zuge einer vielleicht doch gefährlichen Zukunft erfüllt – und sei es nur zum Beispiel die Angst vor einem zukünftigen Griff auf die heiße Herdplatte.
Speziell zur Hörbuchfassung dieser rundweg lesens- wie hörenswerten Bedienungsanleitung, ist anzumerken, dass die Autorin selbst für die Vertonung ihres Werkes sorgt und diese Aufgabe sowohl beim Lesetempo wie im Bereich der Betonung äußerst angenehm umsetzt. So ist „Zukunft“ mit knapp fünf Stunden Hörzeit ein höchst unterhaltsames wie lehrreiches Buch geworden, das mit seinen Erkenntnissen, seiner Faktenfülle und durchaus konkreten Handlungsanweisungen ebenso Mut zur eigenen Zukunftsreflexion macht wie es dabei aber von uns zurecht eine Sache auch einfordert: Wir müssen unser Zukunft oder besser unsere verschiedenen Zukünfte bewusst selbst in die Hand nehmen und aktiv gestalten. Dann kann auch die von Florence Gaub ausgesprochene Garantie auf die Zukunft sicher eingehalten werden.
Florence Gaub: Zukunft • Sachbuch • Random House Audio, München 2023 • Laufzeit: 5h 2min • Hörbuch Download • € 17,95 • im Shop
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