6. März 2020 1 Likes

Galaktische Flüchtlingskrise

Una McCormacks Roman-Prequel zur TV-Serie „Star Trek: Picard“

Lesezeit: 3 min.

Seit einem Monat diskutieren „Star Trek“-Fans Woche für Woche darüber, ob ein Slowburner wie „Picard“ in der heutigen Fernsehserienlandschaft überhaupt noch akzeptabel sei. Für den Geschmack dieses Gelegenheits-Trekkies stellt „Picard“ allemal eine wohltuende Abwechslung dar: langsam und unaufgeregt, charakterfokussiert, ein bisschen oldschool und nichts, das man Bingen könnte, selbst wenn man wollte – plötzlich freut man sich wieder auf seine wöchentliche Dosis „Star Trek“, und das erinnert an goldene Zeiten in den unendlichen Weiten. Während das Fandom also – je nachdem – Liebe oder Unverständnis für jede neue „Picard“-Folge bekundet, ist bei Cross Cult mit perfektem Timing der Roman „Star Trek – Picard: Die letzte und einzige Hoffnung“ von Una McCormack erschienen, das Prequel zur TV-Serie.

Das beleuchtet die letzte große Mission von Admiral Jean-Luc Picard in Diensten der Sternenflotte, die zum Bruch zwischen diesen beiden Institutionen des „Star Trek“-Kosmos führen sollte, wie wir seit dem Serienauftakt von Kirsten Beyer, Akiva Goldsman, Michael Chabon und Alex Kurtzmann wissen. McCormacks Roman konzentriert sich auf die logistischen, politischen, rassistischen und kulturellen Probleme und Widerstände, denen der humanistische Picard, seine erfrischend direkte erste Offizierin Raffi Musiker und andere ins Auge blicken müssen, als sie fast eine Milliarde Romulaner aus dem Einzugsgebiet einer Supernova zu evakuieren versuchen. Gleichzeitig entwickelt der geniale Wissenschaftler Bruce Maddox auf der Erde eine neue Androiden-Klasse, deren künstliche Menschen dabei helfen sollen, auf dem Mars jene Transportschiffe zu bauen, die Picards Flotte braucht, um so viele der oft schwierigen Romulaner wie möglich in Sicherheit zu bringen.

Das ist natürlich eine wenig subtile Zukunftsmetapher auf die Flüchtlingskrise unserer Gegenwart, massiv vergrößert im galaktischem Maßstab. Doch Una McCormack macht aus diesen realen Anleihen sowie den Vorgaben und Verbindungen, die sie in Hinblick auf die Fernsehserie erfüllen muss, einen kurzweiligen Science-Fiction-Roman aus dem späten „Star Trek“-Universum. Und hey, sogar Spock bekommt einen halbseitigen Gastauftritt – Fan Pleasing pur. Kein Wunder: Die 1972 geborene McCormack begann ihre Autorenkarriere u. a. mit Fanfiction zu „Star Trek: Deep Space Nine“. Bis heute kamen über ein halbes Dutzend offizielle Romane zum „Star Trek“-Kanon, aber auch zu „Doctor Who“ hinzu. Entsprechend routiniert hat die irisch-englische Autorin ihr Prequel zu „Picard“ abgefasst. Wer die TV-Serie bisher mag, macht mit dem Roman als Snack für zwischendurch nichts verkehrt und freut sich über alle Szenen, die alte und neue Charaktere noch greifbarer machen.

„Picard: Die letzte und einzige Hoffnung“ liest sich immer passabel und gut weg, ohne dass man je Gefahr liefe, dieses vollkommen schnörkellose Buch je mit einem Vertreter aus der literarischen Schiffsklasse von Michael Chabon zu verwechseln. Na schön: Wollen wir uns kurz eine Wirklichkeit vorstellen, in welcher der langjährige Star Trek-Fan und aktuelle „Picard“-Showrunner Chabon selbst die Vorgeschichte zur Serie verfasst hat? Okay, genug getagträumt. An McCormacks solidem SF-Franchise-Roman und TV-Tie-in gibt es absolut nichts auszusetzen. Man könnte das Prequel als unspektakulär bezeichnen, als unaufgeregt und abgeklärt – und damit ist es dem Ton von Picards neuesten Fernsehabenteuern ja dann wieder recht nahe.

Ob man das nun gut oder schlecht findet, darf jeder für sich entscheiden. Und selbst wer nur die Amazon-Serie und ihr Roman-Prequel kennt, wüsste sofort, dass Jean-Luc Picard so viel Freiheit stets als wichtig und richtig erachten würde.

Una McCormack: Star Trek – Picard: Die letzte und einzige Hoffnung • Cross Cult, Ludwigsburg 2020 • 407 Seiten • Taschenbuch m. Klappenbroschur: 15 Euro

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