6. Juli 2023

„Inmitten der Nacht“ von Rumaan Alam

Weltuntergang mal anders – jetzt als Taschenbuch, Ende des Jahres auf Netflix

Lesezeit: 3 min.

Na? Ebenfalls zu spät zur Weltuntergangs-Party von Rumaan Alam (im Shop), die schon 2020 losging, inzwischen ein Bestseller wurde, und nicht allein von Barack Obama geadelt? Macht nichts. Erstens ist gerade just die Taschenbuchausgabe von „Inmitten der Nacht“ bei btb erschienen, zweitens kommt die Verfilmung des Romans mit Julia Roberts, Ethan Hawke, Mahershala Ali und Kevin Bacon erst im Dezember zu Netflix, und drittens werden die Themen Endzeit, Weltuntergang und Apokalypse so schnell leider nicht aus der Mode kommen, aus naheliegenden, wenig erbaulichen Gründen. Vielleicht stellt es einen gewissen Trost dar, dass Alams im Original als „Leave the World behind“ veröffentlichter, von Eva Bonné ins Deutsche übertragener Roman ein apokalyptisches Kammerspiel ist – ein literarischer Geniestreich und eine Anti-Emmerich-Version des großen Knalls.

Amanda, ihr Mann Clay und ihre beiden Kinder Archie und Rose fahren in den Urlaub: Mit dem Auto geht es raus aus New York und nach Long Island, wo Amanda ein abgelegenes Ferienhaus gemietet hat. Die Werbefachfrau, der Uni-Professor und ihre Kids freuen sich auf die Ruhe, den Pool, die kulinarischen und anderswie gelagerten Ausschweifungen, die sie sich im Alltag nie erlauben würden. Der Urlaub fängt dann auch genau so an, wie die Familie aus der weißen oberen Mittelschicht sich das erhofft hat. Bis eines Abends das schwarze Besitzerehepaar an die Tür des Ferienhauses klopft. Ruth und G. W. erklären, dass es einen Vorfall gegeben hat: Mindestens einen großflächigen Blackout, womöglich noch mehr. Nichts genaues weiß man. Deshalb sind die Vermieter selbst aus New York geflohen und hoffen, dass sie in ihrem eigenen Ferienhaus unterschlupfen können.


Rumaan Alam. Foto © David A. Land/OTTO

Das verändert die Dynamik im Haus, sogar innerhalb der Familie. Vor allem kommt jedoch eine gewaltige Unsicherheit in die Abgeschiedenheit. Was ist wirklich in der „fernen“ Stadt passiert? Unfall, Terror, Atombombe? Warum haben der Fernseher und die Handys keinen Empfang mehr, und was war dran an den ersten Notfallmeldungen vor dem Verstummen der Telefone? Wieso rennen hunderte Rehe durch den Wald? Wo sind die Flugzeuge geblieben? Und was soll man in so einer Situation tun? Amanda und die anderen Erwachsenen versuchen, die gesellschaftlichen Konventionen, Klischees aufrechtzuerhalten, in der vermeintlichen Sicherheit von Stand und Dünkel weiterzumachen, das Beste zu hoffen. Letztlich können sie allerdings nicht ewig so weitermachen und müssen aktiv werden, trotz dem großen Unbekannten da draußen …

Rumaan Alam, der als Journalist für die „New York Times“, den „New Yorker“ und „The New Republic“ schreibt, inszeniert in „Inmitten der Nacht“ eine feine, dichte Geschichte über den Wahnsinn der Normalität im Angesicht des eigentlichen Wahnsinns, des Weltuntergangs. Dabei beleuchtet er mit seinem Roman, der im besten Sinne Kurzgeschichten-Qualität hat, primär eine Wahrheit: Während die Katastrophe noch weit weg scheint und gefühlt nur andere betrifft, sich bestimmt alles wieder einpendeln wird, halten wir Menschen uns am Normalen, am Banalen fest. Daraus kann man für diese Zeiten sicher mehr als eine Lehre ziehen. Mal sehen, was Regisseur Sam Esmail („Mr. Robot“) und sein Starensemble aus diesem atmosphärischen, smarten Stoff für Netflix’ Vorweihnachtsprogramm machen.

Rumaan Alam: Inmitten der Nacht • Roman • Aus dem Amerikanischen von Eva Bonné • btb, München 2023 • 320 Seiten • Erhältlich als Taschenbuch, Hardcover, eBook (epub) und Hörbuch Download • Preis des Taschenbuchs: € 12,00 • im Shop

 

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