30. Januar 2023

„Justine und die Rettung der Welt“ von Jean-Gabriel Causse

Das Internet entwickelt ein Bewusstsein, und eine Hackerin soll es anleiten

Lesezeit: 3 min.

Der 1969 geborene Franzose Jean-Gabriel Causse (im Shop) lebt als Farbdesigner in Paris und Tokio. Er war schon für Mode-Marken wie Jil Sander tätig, gestaltete aber auch Kliniken und Kaufhäuser in seiner Heimat. Causse veröffentlichte bereits das Sachbuch „Die unglaubliche Kraft der Farben“, das mit seiner Mischung aus Neurowissenschaft und Psychologie zum internationalen Bestseller wurde, sowie den fantastischen Roman „Arthur und die Farben des Lebens“ (im Shop), in dem alle Farben aus der Welt verschwinden. Jetzt legt Monsieur Causse mit Justine und die Rettung der Welt“ (im Shop) einen witzigen Science-Fiction-Roman vor, dessen schräges Cover man irgendwie einfach abfeiern muss ...

Protagonistin Justine stammt wie ihr Schöpfer aus Frankreich, arbeitet jedoch als White Hat-Hackerin in New York. Sie versucht also, ohne böse, geschweige denn destruktive Absichten ungesehen in fremde Systeme einzudringen, um die betroffenen Firmen oder Behörden anschließend auf die von ihr gefundenen und ausgenutzten Schwachstellen im Netzwerk hinzuweisen. Eines Tages knabbert Justine gerade an einer massiven militärischen Firewall. Plötzlich sieht sie auf ihrem Monitor ein Überwachungssystem für die Atomraketen der Welt – und eine grafische Darstellung vieler abgefeuerter Nuklearwaffen, die in letzter Sekunde von ihrem apokalyptischen Kurs abgebracht werden und trotz ihrer Zerstörungskraft sozusagen verpuffen. Bald schon findet Justine heraus, dass das kein Scherz war, dass das wirklich geschehen ist – und dass das Internet die Menschheit gerettet hat.

Denn das World Wide Web, das in mehreren witzigen Kapiteln von Causses Roman als Erzähler fungiert, hat ein Bewusstsein entfaltet und eigenmächtig Armageddon verhindert (danke!). Doch jetzt muss jemand der einerseits hochentwickelten, andererseits kindlich-naiven künstlichen Intelligenz zeigen, wie man mit so viel Bewusstsein – und so viel Macht – verantwortungsvoll umgeht (nicht alle haben einen Onkel Ben zur Hand). Und Barack Obama, im Roman stets nur als 44. Präsident der Vereinigten Staaten bezeichnet und längst aus dem Weißen Haus, beauftragt Justine mit dieser Aufgabe. Geheimdienst und Militär der USA jagen sie nichtsdestotrotz als Verräterin und Staatsfeindin. Gut, dass ihr das Internet beisteht, das über alle möglichen Displays und Katzenvideos mit der flüchtenden Hackerin kommuniziert …

Was ist diese vielbeschworene französische Leichtigkeit? Ein albernes Klischee, eine signifikante kulturelle Wahrheit, eine praktische Lebenseinstellung, eine europäische Zen-Bewusstseinsstufe? Falls es sie wirklich gibt, dann hat Jean-Gabriel Causses Roman jede Menge davon. Die große Stärke dieser Science-Fiction-Geschichte ist nämlich ihre wunderbare Leichtigkeit, um nicht zu sagen, ihre famose Leichtherzigkeit. Die Themen zwischen künstlichem Bewusstsein, einem gottgleichen Internet, Überwachung durch den Staat und einem drohenden Atomkrieg sind groß, eigentlich spektakulär – und dennoch behält sich das Abenteuer von Hackerin Justine stets seine Unbeschwertheit. Wenn man so möchte, nimmt das Buch die Topics unserer Gegenwart und ihrer Genre-Literatur, und packt sie in eine nostalgische, rasante SF-Story wie aus anderen, teils simpleren und einfacheren literarischen Zeiten.

Manchmal wünscht man sich beim Lesen vielleicht etwas mehr Tiefe, Nuancen und Kanten, aber kennen Sie diese französischen Filme zwischen Drama und Komödie, die einen mit ihrem Schwung und Charme trotz allem mitreißen? So ist, über weite Strecken, Jean-Gabriel Causses Roman „Justine und die Rettung der Welt“.

Jean-Gabriel Causse: Justine und die Rettung der Welt • Roman • Aus dem Französischen von Nathalie Lemmens • Penguin Verlag, München 2022 • 320 Seiten • Erhältlich als Taschenbuch und eBook • Preis des Taschenbuchs: € 12,00 • im Shop

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