31. Oktober 2019 3 Likes

Kampfmaschine mit Gewissen

Preisgekrönte Novellen: „Tagebuch eines Killerbots“ von Martha Wells

Lesezeit: 2 min.

Die Roboter in unserer Realität und in der Science-Fiction haben einen weiten Weg hinter sich gebracht, seit Isaac Asimov (im Shop) 1942 erstmals seine berühmten Robotergesetze definierte – das, was ein Roboter in der direkten Interaktion mit anderen und vor allem mit Menschen tun darf, und was nicht. Im Buch „Tagebuch eines Killerbots“ von Martha Wells (im Shop), worin sich die Menschheit über die gesamte Galaxie ausgebreitet hat und auf künstliche Intelligenz, Bots und Roboter setzt, geht es daher eine ganze Spur komplexer zu, was den Handlungsspielraum des nichtmenschlichen Titelantihelden anbelangt.

Bei diesem handelt es sich um einen Cyborg aus technologischen sowie geklonten organischen Komponenten, der eigentlich für Security-Aufträge abgestellt wird. Doch der entbehrliche Killerbot in Wells’ episodischen Geschichten hat sich seine Freiheit erhackt – so, wie er sich Zugang zu Raumfrachtern, Shuttles, Sicherheitskameras oder Drohnen erschleicht, wenn das seinen Zwecken dient. Mit seiner vermeintlichen Freiheit kommen allerhand Möglichen, viele Gewissensfragen und ganz praktische Probleme. Denn nun sieht sich der Killerbot auf einmal mit Fragen der Identität, der Loyalität und der Moral konfrontiert, und das im Angesicht eines Universums, in dem er als Kampfmaschine-zum-Mieten eigentlich gar nicht auf eigene Faust unterwegs sein dürfte. Und als wäre das alles nicht schon knifflig genug, muss sich unser Killerbot, der am liebsten ins galaktische Serienfernsehen flüchtet, obendrein noch mit neunmalklugen oder strunzdummen Frachtschiffbots herumschlagen …

Die vier Novellen der 1964 geborenen Amerikanerin Martha Wells, die zusammen den Sammelband „Tagebuch eines Killerbots“ ergeben, sind natürlich eine Geschichte über den freien Willen. Zugleich erinnern die vielen zwischenmenschlichen Probleme und sozialen Schwierigkeiten des Cyborg-Ich-Erzählers an das Asperger-Syndrom, was man von einem knallharten Killerbot jetzt nicht erwarten würde. Ein interessanter Ansatz, eine sympathische Perspektive – und mit den vielen Cyberpunk-Elementen des Hackens und der Text-Kommunikation in Feeds zwischen Menschen und Maschinen ein erfrischender Dreh für Military-Science-Fiction. Darüber hinaus punkten die vier lose, jedoch logisch verbundenen Erzählungen durch ein überragendes Worldbuilding der studierten Anthropologin Wells. Die Ausschmückung ihres eigenen SF-Univerusms findet selten im Vordergrund statt. Man sprürt dank guter Details dennoch jederzeit die Tiefe und Reichhaltigkeit dieses kosmischen Szenarios, in dem skrupellose, gierige Großkonzerne das Sagen haben, Planeten wegen Rohstoffen erschlossen werden und viele Menschen in kleinen, unabhängigen und vielfältigen Gemeinschaften leben.

Die Begeisterung für Martha Wells’ Murderbot-Erzählungen, die ihr den Hugo, den Nebula und den Locus Award samt diverser Nominierungen einbrachten, ist keineswegs übertrieben. „Tagebuch eines Killerbots“ tut sich als starker Beitrag zur Roboter-Science-Fiction, zur Military-SF, zum Cyberpunk, ja zur gesamten modernen Zukunftsliteratur hervor. Es schadet allerdings nicht, sich die Novellen einzuteilen, anstatt alle vier hintereinander wegzulesen.

Martha Wells: Tagebuch eines Killerbots • Aus dem Englischen von Frank Böhmert • Heyne, München 2019 • 573 Seiten • E-Book: 12,99 Euro (im Shop)

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