21. Juli 2014 1 Likes

Kein Land für alte Männer

Peter Lineys Rentner-Dystopie „Die Verdammten“

Lesezeit: 2 min.

Mit „Die Verdammten“ ist gerade der erste Roman von Peter Lineys „Detainee“-Trilogie (Detainee = Gefangener) bei Bastei Lübbe auf Deutsch erschienen. Im Mittelpunkt des Buchs steht Ich-Erzähler Clancey. Einst war er ein stattlicher Mann und arbeitete als Schläger für das organisierte Verbrechen. Groß ist Clancey noch immer, doch nun sind seine Knochen und der Rest seines Körpers müde – der Knochenbrecher ist in die Jahre gekommen und wurde, wie viele andere seiner Generation, auf die Insel abgeschoben.

Denn in Peter Lineys gar nicht mal so weit entfernter Zukunft sind die sozialen Netze längst zerrissen, die Systeme allesamt zusammengebrochen. Staatliche Rente oder private Altersvorsorge? Guter Witz. Wer alt ist und kein Geld hat, wird von der Regierung einfach auf eine Müll-Insel verfrachtet und vegetiert dort fortan in einem Slum vor sich hin. Wie der übrige Unrat, der regelmäßig auf dem Eiland der Verdammten abgeladen wird. Diesen Müll sortieren wiederum brutale Jugendliche, die zur Rehabilitation ebenfalls auf die Insel geschickt worden sind und inzwischen eine perverse eigene Gesellschaft entwickelt haben – Jugendliche, die dank ihres Status als offizielle Müllsortierer als Einzige nicht von den alles sehenden, alles ahnenden Bestrafungssatelliten (sic!) ins Visier genommen werden, sobald sie eine Waffe in die Hand nehmen und für eine Gewalttat heben. Weshalb die Kids die schutzlosen alten Männer und Frauen, die sie dank der Propaganda des Staates für ihr eigenes Leid und ihre Perspektivenlosigkeit verantwortlich machen, in den nebeligen Nächten aus ihren Verschlägen zerren und quälen und schlachten und foltern. Eines Tages entdeckt Clancey, den sie nach wie vor alle nur Großer nennen, jedoch ein geheimes Tunnelsystem – und ist trotz seines Alters bereit, die Dinge zu verändern…

Der Debütroman von Peter Liney, der als Autor zuvor schon fürs amerikanische und englische Serien-Fernsehen geschrieben hat und hier auf Facebook posted bzw. hier fleißig twittert, ist eine ganz schön deprimierende, heftige Dystopie. Doch wie andere SF-Romane der letzten Monate – darunter Matt Ruffs Alternativwelt-Highlight „Mirage“ und Lauren Beukes’ Zeitreise-Serienkiller-Pageturner „Shining Girls“ – hat auch Mr. Lineys „Die Verdammten“ vorsorglich das Thriller-Etikett verpasst bekommen. Dystopische Genre-Stoffe verkauften sich seit ein paar Jahren zwar ganz gut im Mainstream – Thriller jedoch eindeutig besser und leichter.

Ansonsten ist der erste Band von Lineys düsterer Zukunftsvision der etwas anderen Art, die überdies durch die Augen eines Rentners geschildert wird, eine passabel weg zu lesende Geschichte zwischen Science Fiction und Horror geworden, die sogar Nicht-Genre-Leser mit einer Vorliebe für Spannungsliteratur ansprechen dürfte – selbst oder gerade weil Liney immer wieder mal mit dem Holzhammer ausholt und kräftig zuschlägt.

Unter dem Titel „Into the Fire“ ist im englischsprachigen Original Anfang Juli der zweite Teil der Trilogie erschienen.

Peter Liney: Die Verdammten • Bastei, Köln 2014 • 400 Seiten • € 8,99

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