27. Juli 2016 2 Likes

Oldschool im Alien-Ozean

Hard-SF-Protest gegen die Erste Direktive: „Meer der Dunkelheit“ von James L. Cambias

Lesezeit: 3 min.

Der Amerikaner James L. Cambias ist seit den 90ern als Autor in der Rollenspiel-Szene tätig und verfasste außerdem bereits zahlreiche fantastische Kurzgeschichten, die in angesehenen englischsprachigen Magazinen und Anthologien veröffentlicht wurden und Mr. Cambias Nominierungen für den Nebula Award und den James Tiptree Jr. Award einbrachten. Sein Romandebüt „A Darkling Sea“ erschien im Jahre 2014 und wurde von Robert J. Sawyer, Gregory Benford (im Shop), Jo Walton und Vernor Vinge in höchsten Tönen gelobt und mit dem Schaffen von Robert Silverberg (im Shop), Larry Niven (im Shop) und Hal Clement (im Shop) verglichen. Auch Bestseller-Autor John Scalzi (im Shop) ist seit Jahren ein Fan von Cambias (genau genommen kennen die beiden sich schon ewig, da Cambias auf dem College für die Studentenzeitung schrieb, deren Chefredakteur Scalzi damals war). Jetzt ist Cambias’ Erstling unter dem Titel „Meer der Dunkelheit“ in der Übersetzung von Claudia Kern bei Cross Cult als E-Book und schön aufgemachtes Paperback erschienen.

„Meer der Dunkelheit“ beginnt in der Zukunft, in der den Menschen interstellare Reisen möglich sind, auf Ilmatar, dem Eismond des Riesenplaneten Ukko. Unter dem kilometerdicken Eis von Ilmatar existiert ein Ozean voller Leben, das eine Gruppe irdischer Wissenschaftler auf der Hitode-Unterwasserstation erforscht. Vor allem die Ilmataraner – riesige intelligente Hummer, die sich über Sonar verständigen – stehen im Fokus der menschlichen Aufmerksamkeit. Trotz allem Interesses und aller Wissbegierde dürfen sich die terranischen Entdecker den Illmataranern, deren Siedlungen um Unterwasservulkane errichtet sind, jedoch nicht nähern oder zeigen. Einmischung und direkter Kontakt sind strikt verboten. Darüber wachen die Sholen, humanoide Otterwesen mit sechs Gliedmaßen und einem regen Sexualverhalten. Sie betrachten die Expansion der Menschheit mit Ablehnung, fürchten jede Art von Kolonialisierung, pochen auf die Einhaltung der abgeschlossenen Verträge und wollen unbedingt verhindern, dass das Habitat unter der gefrorenen Oberfläche Ilmatars gestört wird. Ein Zwischenfall ändert dann plötzlich alles: Die llmataraner werden der Menschen gewahr, und die Sholen schicken Abgesandte, um die Wissenschaftler zum Verlassen der Station am Meeresgrund zu zwingen …

In einem Beitrag für den Blog von John Scalzi hat James Cambias kein Geheimnis daraus gemacht, dass „Meer der Dunkelheit“ eine kritische Auseinandersetzung mit der Prime Directive – der Ersten Direktive – aus „Star Trek“ ist, also dem heiligen Prinzip der Nichteinmischung bei Kontakt mit anderen Spezies und Kulturen auf fremden, nativen Planeten. Das Ergebnis von Cambias’ Hinterfragung dieses Konzepts ist nie so drastisch wie „Sprecher für die Toten“ von Orson Scott Card (im Shop), aber ein gefälliger, süffiger Erstkontakt-Roman über das Erwachen von Interaktion und Kommunikation zwischen Menschen und Aliens, der faktisch und atmosphärisch immer auf Hard-SF setzt und einen vielleicht nicht im Sturm erobert, allerdings früh genug fasziniert und bis zum Schluss fesselt. Besonders gefällt die exotische Oldschool-Attitüde des Tauch-Abenteuers, das Cambias aus der Perspektive aller drei Völker schildert, wobei die Sicht der Illmataraner sprachlich am ungewöhnlichsten daherkommt. Ärgerlich ist eigentlich nur, dass der Amerikaner zu den SF-Autoren gehört, die einem die zudem etwas naiven Aliens nicht gleich beim ersten Auftritt beschreiben und konsequent bis zur ersten möglichen Betrachtung durch die Menschen warten, sodass das Vorstellungsmodul des Lesers erst mal ohne Input arbeiten und kein Bild erzeugen kann.

Trotzdem gehört „Meer der Dunkelheit“ definitiv auf die Leseliste jedes Fans guter Hard-Science-Fiction- und Erstkontakt-Romane, die zugleich das Abenteuer in fremden Gefilden nicht zu kurz kommen lassen. Wer im Urlaub mal zwei, drei Tage so richtig schön abtauchen will, ist im eisigen Ozean von James L. Cambias genau richtig.

James L. Cambias: Meer der Dunkelheit • Cross Cult, Ludwigsburg 2016 • 420 Seiten • Taschenbuch: 18,00 Euro

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