24. Oktober 2013

Außerirdische Tabubrüche

„Saga“ von Brian K. Vaughan und Fiona Staples

Lesezeit: 3 min.

Um den Titel »Beste neue US-Serie 2012« stritten im vergangenen Jahr eigentlich nur zwei Kandidaten mit voller Ernsthaftigkeit und durchgehender Qualität – und lieferten sich dabei ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den fantastischen Genres: Conan the Barbarian von Brian Wood, Becky Cloonan, James Harren und Co. und Saga von Brian K. Vaughan und Fiona Staples. Da Conan the Barbarian zwar eine sagenhaft gute, mutige Neudefinition von Robert E. Howards Barbaren, letztlich aber doch irgendwo »nur« eine weitere sehr freie Adaption der Originalgeschichte »Königin der Schwarzen Küste« ist, kann man den Titel der besten neuen Serie wohl ohne schlechtes Gewissen Saga geben. Verdient ist es allemal, und angesichts des thematischen Schwerpunkts dieses Jahrbuchs sei es dem Vertreter der schon erwähnten Science-Fiction-Offensive des in dieser Hinsicht über sich selbst hinauswachsenden image-Verlages einfach von Herzen gegönnt.

Autor Brian K. Vaughan hat aber auch wahrlich ein goldenes Händchen: Ob die von ihm mitgestaltete TV-Sensation Lost oder solch von der Kritik gefeierte Comics wie Y – The Last Man über den letzten Mann auf Erden, die Polit-Superhelden-Symbiose Ex Machina oder die unvergessliche Irakkrieg-Parabel Die Löwen von Bagdad – die Qualität von Vaughans bisherigen Arbeiten steht außer Frage, und in den letzten Jahren wurde der 1967 in Cleveland geborene Autor im Comic-Bereich durchaus schmerzlich vermisst, während er sich um Projekte bei Film und Fernsehen kümmerte.

Die Erwartungen an Vaughans Rückkehr zum Comic und seine neue Serie Saga waren entsprechend groß – und Vaughan enttäuscht sie nicht.

Denn sein so schlicht betiteltes Science-Fiction- bzw. Science-Fantasy-Abenteuer ist dermaßen gut, dass das Warten auf das nächste US-Heft jedes Mal von Neuem eine endlose Qual ist. Okay, am Ende wirkt Saga schon ein bisschen wie Star Wars, wenn George Lucas sein Universum im Hier und Heute erfunden und es möglichst erwachsen, realistisch und pornografisch geplant hätte. Und eigentlich erzählt Vaughan nur einmal mehr die Geschichte von Romeo und Julia, verpackt in einen intergalaktischen Krieg. Aber das alles ist eben auch packend, authentisch, temporeich, frech, witzig und sympathisch ohne Ende.

Zudem spielt Saga auf exotischen Welten, die Abenteuer und Gefahren – und somit die Ausgangslage für diverse Dramen – praktisch mit der örtlichen Photosynthese ausatmen, derweil die Parteien des eben erwähnten Krieges ihren Konflikt überall austragen, außer auf ihren Heimatplaneten. In diesem verheerten All von beiden Seiten und einigen der besten Kopfgeldjägern des Universums gejagt zu werden und als Kür auch noch ein Neugeborenes heil durchbringen zu müssen, ist wirklich eine Herausforderung, egal ob man ein bisschen zaubern kann oder der Babysitter ein Geistermädchen ist. Kein Wunder, dass der Raketenschiffwald mit seinen intelligenten natürlichen Raumschiffen ein verlockender Zielort für unsere fahnenflüchtigen Eltern ist, die alles tun, um jenseits der Fronten zu überleben und ihre süße kleine Tochter, der Vaughan in einem Anfall von Genialität im Übrigen die Narration anvertraut hat, aus der Gefahrenzone zu kriegen. Durch den Schwur, aller Gewalt zu entsagen, und aufgrund der Vorurteile gegenüber einer Mischlingsehe in diesen Zeiten des Krieges wird die Flucht durch die Galaxie freilich nicht gerade leichter …

Vaughans abwechslungsreiche, angenehm reife und ungekünstelte Science-Fiction-Story in stimmungsvollen Bildern mit prächtigen Farben, ganz schön viel Freizügigkeit und massig Emotionen einzufangen, obliegt Zeichnerin Fiona Staples (Mystery Society, North 40), deren Stil hervorragend zu Vaughans Erzählweise und seinen gewagten Einfällen passt. Staples zaubert die plakativen Sexszenen mit adeligen Robotern, die Monitore als Köpfe haben, genauso spielend aufs Papier wie etwa die Geburtsszene ganz am Anfang dieser prächtigen neuen Comic-Saga, von der man sich wünscht, dass sie so lange weiterläuft, bis Vaughan und Staples die Ideen und die Lust ausgehen – was noch eine ganze Weile und ein paar Planeten dauern dürfte.

Allerdings ist zu hoffen, dass die Serie am Ende nicht nur auf ihre außerirdischen Tabubrüche reduziert wird. Saga ist schließlich so viel mehr – unter anderem der derzeit mit Abstand beste Science-Fiction-Comic in den unendlichen Weiten.

Brian K. Vaughan/Fiona Staples: Saga 1 • Crosscult, Ludwigsburg 2013 · 160 Seiten · € 22,–

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