13. Januar 2022

„Barbalien: Roter Planet“: Menschlichkeit vom Mars

Ein Comic über Alien-Superhelden und Aids, von Jeff Lemire und anderen

Lesezeit: 3 min.

Als Autor und Zeichner schuf Jeff Lemire den postapokalyptischen Comic „Sweet Tooth“, der von Netflix 2021 in einer sehr hübschen ersten Staffel zum Streamen adaptiert wurde. Und während Lemire noch grafische Werke wie „Essex County“ oder „Rough Neck“ inszenierte, kreierte der Kanadier als Autor überdies viele unabhängige Genre-Stoffe, darunter „Descender“ und „Gideon Falls“. Darüber hinaus schrieb Lemire „X-Men“, „Moon Knight“, „Green Arrow“ und andere Franchise-Titel für die großen Verlage. Seiner eigenen Superheldenleser-Jugend zollt Lemire sogar in der eigenständigen Reihe „Black Hammer“ Tribut, die er mit Zeichner Deam Ormston entwickelte (und die inzwischen selbst ein Crossover mit der Justice League von DC sah, was den Kreis schon ziemlich schließt).

Obwohl sie sich in ihrer unterhaltsamen Genre-Hommage vor den Ikonen von Marvel und DC verbeugen und viele offensichtliche Referenzen auffahren, kreieren Lemire, Ormston und ihre kreativen Mitstreitenden dennoch eigene, moderne Superhelden/Science-Fiction-Storys. Abseits der „Black Hammer“-Hauptserie erscheinen dabei oftmals sehr interessante Einzelbände über die Helden und Schurken dieses Kosmos. Der neueste Einzelband „Barbalien: Roter Planet“ ist zunächst einmal natürlich eine Hommage an J’onn J’onzz, den Martian Manhunter aus dem DC-Universum, der 1955 von Joseph Samachson und Joe Certa ersonnen wurde. Später schloss sich DCs grüner Gestaltwandler und Telepath vom Roten Planeten, der teils die Identität eines irdischen Ermittlers annahm, u. a. der Justice League an.

Mark Markz heißt der rote Marsianer und Formwandler aus „Black Hammer“. In dem ihn gewidmeten Band, den Lemire mit Co-Autor Tate Brombal („House of Slaughter“) verfasst hat, geht es allerdings nicht allein um Marks außerirdisches Erbe, sondern vor allem um seine Homosexualität. Mitten in der AIDS-Krise der 80er gerät Mark alias Barbalien in Spiral City auf der Erde zwischen die Fronten von gewaltbereiten Polizisten und schwulen Protestlern. Ein sehr ordentlich erzählter Comic, der auf Grundlage von Prosa- und Panel-Pulp der Vergangenheit marsianische sowie irdische Probleme zu einer gehaltvollen, aktuellen Story voller Menschlichkeit kombiniert. Das allgemein gar nicht mehr so präsente Thema HIV könnte man derweil „Black Hammer“-typisch als Hommage an die Comics der 90er ansehen, wo man es im US-Mainstream verstärkt aufgegriffen hat. Lemire und Brombal nutzen ihre Bühne und rücken es abermals in den Fokus.

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Gezeichnet wurde Barbaliens Geschichte von Gabriel Hernández Walta. Der Spanier bebilderte in seinem individuellen Stil bereits Tom Kings „Vision“-Serie, die für „WandaVision“ auf Disney+ nicht unerheblich war, aber auch Lemires SF-Einzelband „Sentient“ über ein Generationenraumschiff sowie Donny Cates’ „Doctor Strange“-Saga mit Loki. „Barbalien: Roter Planet“ lässt Walta all seine Stärken als visueller Storyteller ausspielen, der Ruhe und Action mühelos vermengen kann. Und einmal mehr sorgt Jordie Bellaire („Batman“) mit ihren Farben und Texturen für noch mehr Tiefe und Stimmung.

Nach den Highlights „Doctor Star & das Reich der verlorenen Hoffnung“ und „Skulldigger & Skeleton Boy“ liegt mit „Barbalien: Roter Planet“ der nächste starke Band zum Universum von „Black Hammer“ vor, den man selbst ohne Vorkenntnisse sehr gut lesen könnte.

Abb.: © 171 Studios, and Dean Ormstrom /dt. Ausgabe Splitter Verlag

Jeff Lemire, Tate Brombal, Gabriel H. Walta: Aus dem Black Hammer Universum: Barbalien: Roter Planet • Splitter, Bielefeld 2021 • 144 Seiten • Hardcover: 22 Euro

 

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