5. November 2020 2 Likes

„Freaks“: Frank Schmolkes Super-Neuinterpretation

Der überzeugende Comic zum Netflix-Film über deutsche Metawesen

Lesezeit: 2 min.

Comicadaptionen von Filmen haben nicht gerade den besten Ruf. Jahrzehntelang wurden Fans mit teils kruden Blockbuster-Beiwerken in Panelform beworfen, eines mauer geschrieben und gezeichnet als das nächste. Nur wenige Bildergeschichten, die ein Drehbuch oder einen Film adaptierten, erreichten je die Güte von z. B. Archie Goodwins und Walt Simonsons „Alien“-Comicfassung oder waren zumindest so interessant wie Jack Kirbys „2001: A Space Odyssey“. Nun ist der Münchner Comicmacher Frank Schmolke angetreten, um ausgerechnet das Drehbuch des deutschen Netflix-Superheldenfilms „Freaks“ von Marc O. Seng in einem Comicroman neu zu interpretieren. Der Streifen vermochte es nicht, sich von den typischen Manierismen und Problemen deutscher Spielfilme zu befreien. Ob es Schmolke in seinem Comic über Metawesen in unserer alltäglichen Mitte gelungen ist?

Dem 1967 geborenen Autor und Zeichner lag nur das Drehbuch für seine Comicfassung von „Freaks“ vor, er sah weder die gecasteten Schauspieler, noch irgendeine Schnittfassung des Films. Diese Comicversion ist also wirklich Schmolkes Neuinterpretation der grundlegenden Geschichte. In dieser geht es um die junge Mutter Wendy, die in einem Fastfood-Restaurant schuftet und keine Anerkennung erhält. Eines Tages rät ein Obdachloser Wendy, dass sie die Psychopharmaka absetzen solle, die sie seit ihrer Kindheit nimmt, da diese in Wahrheit nur ihre Superkräfte unterdrücken würden. Trotz einer eindringlichen Demonstration seiner Kräfte glaubt Wendy der Sache erst einmal natürlich nicht. Doch dann fertigt sie dank der in ihr schlummernden Fähigkeiten – und Wut – mehrere Typen ab, die ihr an die Wäsche wollen, und schon an dieser frühen Schlüsselszene und Eskalation wird deutlich: Frank Schmolkes „Freaks“ ist wesentlich finsterer, intensiver, härter und brutaler als das filmische Pendant im Streaming-Angebot bei Netflix. In seiner Comicauslegung von Wendys Story, die mit Spezialeinheiten, einem weiteren, schurkischen Freak und selbst Geheimgefängnissen und Drohnen weitergeht, holt Schmolke das Maximum an Gefühlen und Gewalt aus dem Drehbuch heraus, gibt er allen Figuren, Szenen, Konflikten zudem genau den richtigen Ansatz und Dreh. Visualisiert hat er seine packende Variante der Story von Marc O. Seng, die auf einmal mitreißt und begeistert, in gewohnt klaren Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die einerseits hohen Ansprüchen genügen, andererseits stets einen gewissen Indie-Charme haben. Dieser Kontrast tut dem Stoff über Menschen mit Superkräften ebenfalls sehr gut.

Nachdem Frank Schmolke mit seinem Noir-Krimi „Nachts im Paradies“ einen der besten Comics des vergangenen Jahres vorgelegt hatte, sah man die Ankündigung von „Freaks“ mit gemischten Gefühlen. Doch Schmolke zeigt einmal mehr, dass er einer der besten Comicmacher Deutschlands ist und scheinbar jede Geschichte zum strahlen bringen kann, selbst wenn er vor allem auf Finsternis setzt. Oder wenn er das Drehbuch eines deutschen Films in seiner Umsetzung so pusht, dass „Freaks“ zwischen „X-Men“ und „Demo“ plötzlich ein starker, wertvoller Beitrag zum Genre und seinen Traditionen ist.

Frank Schmolke: Freaks • Edition Moderne, Zürich 2020 • 256 Seiten • Paperback: 28 Euro

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