Guillaume Perreault: „Der Weltraumpostbote“ - Mit Charme durchs All
Systemrelevant auch in der Zukunft
Während des ersten Lockdowns der Corona-Krise im Frühjahr wurden die sonst oft verdammten Postboten und häufig gescholtenen Paketzusteller von DHL, UPS, Hermes und Co. plötzlich wieder als systemrelevante Helden des Alltags wahrgenommen. Ja, sie wurden zuweilen regelrecht gefeiert, da sie wegen des abermals gestiegenen Aufkommens an Online-Bestellungen noch größere Berge des Päckchen-Wahnsinns bewältigen mussten als ohnehin schon, und weil sie in Zeiten der Pandemie und des Social Distancings ein noch größeres persönliches Risiko zu tragen hatten. In seinem ursprünglich 2016 veröffentlichten Science-Fiction-Comic „Der Weltraumpostbote“, der im Kasseler Verlag Rotopol in der Übersetzung von Ulrich Pröfrock soeben als Hardcover erschienen ist, erhebt der kanadische Künstler Guillaume Perreault nun passenderweise einen galaktischen Zusteller zum Protagonisten und Titelhelden …
Die Geschichte von Bob dem Weltraumpostboten beginnt in einer Zeit, da Brief- und Paketausträger nicht länger nur von Tür zu Tür und Tor zu Tor gehen, sondern mit einem Raumschiff auch von Planet zu Planet fliegen (oder gegebenenfalls einen Weltraumspaziergang zum Bestimmungsort machen). Unser guter Bob liebt seinen Job und seine vertraute Route. Doch eines Morgens teilt ihm sein Chef – ein einäugiges Tintenfisch-Alien mit Schnurrbart und Zigarette – mit, dass Bob eine neue Tour bekommt. Dem Postboten aus Leib und Seele schwant Übles, als er sein kugeliges Schiff betankt und startklar macht, und er soll Recht behalten: Die fremde Route stellt Gewohnheitstier Bob vor so einige Herausforderungen. Jeder neue exotische Planet und jede neue Adresse halten eine unangenehme Überraschung für Bob bereit, der sich redlich bemüht, wie man ihm zugute halten muss. Am Ende der anstrengenden Tour zu merkwürdigen Welten und genauso merkwürdigen Bewohnern und Empfängern ist Bob erschöpft, schmutzig, verletzt, genervt und einiges mehr – und sicher, dass er seinem Boss in der Zentrale die Meinung geigen und seine alte Strecke zurückverlangen wird …
Guillaume Perreault, der in Kanada als Comic-Künstler und als Illustrator von Büchern, Magazinen und anderem arbeitet, legt mit „Der Weltraumpostbote“ einen äußerst charmanten und herzigen Science-Fiction-Spaß vor, der mehr zu bieten hat als seinen für alle Altersklassen tauglichen Witz. Obwohl Perreault innerhalb seiner Verbundenheit zur klaren Linie des frankobelgischen Comics zeichnerisch stets viel reduziert – Bob hat z. B. keine sichtbaren Hände oder Füße – und im Umfeld und im Hintergrund für aufgeräumte Klarheit sorgt, gibt es auf jeder Seite allerhand liebevolle Details zu entdecken: im Raumschiff, im All, auf einem der witzigen Planeten, wo auch immer. Die Art und Weise, wie Perreault gekonnt abstrahiert und reduziert, erinnert bisweilen an Tom Gauld, den Meister der zeichnerischen Simplifizierung und grafischen Reduktion, zumal zwischen Kanada und Großbritannien auf eine relativ ähnliche, flächige und bunte Kolorierung gesetzt wird. Und wie sein schottischer Kollege, erweist sich auch Perreault als Comic-Könner, der nach Herzenslust versimpeln kann, weil er sein Handwerk versteht. Auf dem Weg zum Finale und der schönen Pointe seiner Bildergeschichte über Bob den Weltraumpostboten gibt einem der Kanadier plötzlich sogar so einen starken Sinn für Richtung in den Weiten des Alls und seinem Werk, wie man es selten verspürt.
Wer es sonst gar nicht erwarten kann, dass der Postbote einen neuen Sammelband mit den nerdigen, sf-lastigen Cartoons von Tom Gauld bringt, sollte auch Guillaume Perreaults 144 Seiten starken, höchst kurzweiligen und amüsanten Comic „Der Weltraumpostbote“ mit einem permanenten Lächeln auf den Lippen genießen. Selbst jüngere Leser dürften den Humor und den Look lieben. Hoffentlich wird die Fortsetzung, die es im Original bereits gibt, bald von Rotopol verschickt und zugestellt!
Hier gibt es übrigens noch das interaktive „intergalaktische Mitmach-Heft“ mit Suchspiel, Labyrinth und anderem zum Comic als PDF-Gratisdownload.
Abbildungen: © Guillaume Perreault and La Pasteque, 2016. All Rights Reserved
Guillaume Perreault: Der Weltraumpostbote • Rotopol, Kassel 2020 • 144 Seiten • Hardcover: 18 Euro
Kommentare
Das erinnert mich sehr stark an "The Whispering Star".