5. September 2016

Ist es eine fliegende Katze...?

Angel Catbird – das Debüt des Comic-Helden von Margaret Atwood

Lesezeit: 3 min.

Im langen Vorwort zum ersten Band ihres Comics „Angel Catbird“, den die kanadische Pulitzerpreis-Gewinnerin Margaret Atwood zusammen mit ihrem zeichnenden Landsmann Johnnie Christmas realisiert hat, nimmt die rüstige Bestseller-Autorin dem einen oder anderen Kritiker vermutlich die Worte aus dem Mund. Wieso sollte eine nette alte Dame, die großes literarisches Ansehen genießt, einen Comic schreiben? Die Antwort, die Atwood gibt, ist simpel: Weil diese Grand Dame der Gegenwartsliteratur schon als kleines Mädchen Comics mochte und mit genau den richtigen Klassikern des grafischen Erzählens aufwuchs, und weil sie selbst sogar mal ein paar Gehversuche als Zeichnerin unternommen hat.

Klassisch ist dann auch ihre Heldengeschichte in „Angel Catbird Vol. 1“. Der Genetiker Strig Feleedus gerät bei einem Unfall mit einer experimentellen Flüssigkeit in Kontakt, die seine menschlichen Gene (ohne Gamma-Bombe, ohne kosmische Strahlung, ohne Blitzeinschlag) mit denen einer Katze und einer Eule vermischt. Kurz darauf verwandelt Strig sich in eine geflügelte Menschenkatze und wird in einen geheimen, brutalen Krieg zwischen anderen Gestaltwandlern hineingezogen, wobei auf der einen Seite eine Gruppe Katzenwesen und auf der anderen ein Rattenmensch und seine Nager-Armee stehen. Oh, und natürlich verliebt sich Strig alias Angel Catbird in die katzenhaften Vorzüge einer zweibeinigen Mieze, die wiederum mit einem Graf-Dracula-Kater zusammenarbeitet …

Fritz Leiber hätte die Liebesgeschichte zwischen Katzenmenschen sicher gefallen! Ansonsten muss man aber schon ein bisschen die wohlwollende Fanbrille aufsetzen, um die Funken überspringen zu sehen. Denn „Angel Catbird“ leidet nicht nur darunter, dass die Seitenaufteilung wegen des handlichen Formats immer mal etwas gedrungen und klotzig wirkt, was der von Mr. Christmas mitgeschaffene und gezeichnete ‚präapokalyptische Comic’ „Sheltered“ nicht hatte und definitiv am Format liegt, das wohl doch eher den irritierten Buchhändlern gefallen soll. Außerdem scheint sich Margaret Atwood nie ganz entscheiden zu können, ob sie jetzt eine liebevoll-ironische Hommage an das cheesige, simple Goldene Zeitalter der amerikanischen Superheroes präsentierten möchte, oder doch ganz ernst ihren eigenen, ein wenig naiven Superhelden-Comic. Zwischendurch ist das mit der Ironie nicht so deutlich, wie es sein sollte, damit es als konsequente Retronummer und Hommage funktioniert. Zudem muss man sich an den Bildungsauftrag der Origin-Geschichte von Angel Catbird gewöhnen, die mit statistischen Einblendungen darauf aufmerksam macht, weshalb es für die eigene Katze sowie den Bestand der einheimischen Vögel sicherer und besser ist, wenn Kitty besser zu Hause eingesperrt wird.

Dem neuen Helden von Margaret Atwood und Johnnie Christmas ist also kein Traumstart gelungen, obwohl man einigen Szenen und Dialogen ihren Charme keineswegs absprechen kann und das Artwork in den Panels selbst durchaus zu gefallen weiß. „Angel Catbird Vol. 1“ erschien bei Hellboys US-Heimatverlag Dark Horse und enthält neben ein paar Skizzen von Johnnie Christmas noch Pin-Ups von bekannten Künstlern wie David Mack, Fabio Moon und Matt Kindt.

Der zweite Band soll im Februar herauskommen, und wenn die Geschichte dann abgeschlossen sein sollte, wäre das für alle wohl ganz in Ordnung.

Margaret Atwood & Johnnie Christmas: Angel Catbird Vol. 1 • Dark Horse, Portland 2016 • 112 Seiten • Hardcover:$ 14,99 • Sprache: Englisch

 

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