„Andor“ – Was wäre „Star Wars“ ohne Jedis, Lichtschwerter und die Macht?
Die neue Serie geht erfreulich ungewohnte Wege
Was waren das für Zeiten, als ein neuer „Star Wars“-Film noch für globale Neugier sorgte, wenn nach Jahren des Wartens endlich Nachschub ins Kino kam. Doch diese Zeiten sind vorbei, schließlich muss die Streaming-Maschine am laufen gehalten werden. Und so wie Disney+ alle paar Monate eine neue Marvel-Serie auf den Markt wirft, werden inzwischen auch Star Wars-Serien am Fließband produziert. Gerade ging die erste Staffel von „Obi-Wan Kenobi“ zu Ende, da steht mit „Andor“ schon die nächste Serie bereit. Die, zumindest auf dem Papier, ein zusätzliches Manko zu überwinden hat: Sie ist ein Prequel zu einem Prequel, denn Hauptfigur ist Cassian Andor (Diego Luna), der in „Star Wars: Rouge One“, die Figur war, der es gelang die Pläne für den Todesstern zu stehlen und an die Rebellen weiterzuleiten, die die Ereignisse des Original „Star Wars“ erst möglich machten.
Fünf Jahre vor den Ereignissen jenes Films setzt nun „Andor“ ein, eine zwölfteilige Serie (eine zweite, finale Staffel ist schon in Arbeit), die erzählt wie Cassian Andor wurde was er ist. Reichlich unspektakulär hört sich das an, doch Showrunner Tony Gilroy macht aus der potentiellen Not eine Tugend und fügt dem „Star Wars“-Kosmos das überraschendste, ungewöhnlichste Element seit langem hinzu und das beinhaltet auch die Kinofilme des letzten Jahrzehnts.
Gerade die waren zwar oft bildgewaltig, variierten aber am Ende doch nur das immer gleiche Zerstören von immer neuen Todessternen. Vor allem aber spielten sie fast ausschließlich in der adeligen Oberklasse des Star Wars-Kosmos oder in der Welt der Jedis, all die anderen Aspekte der angeblich so unbegrenzten Star Wars-Welt blieben meist außen vor.
Als „Star Wars“ von unten könnte man „Andor“ nun bezeichnen, der mit einer Szene beginnt, die visuell an „Blade Runner“ erinnert und Cassian in einer Art Hologramm-Bordell zeigt. Dort sucht er seine Schwester und gerät schnell mit ein paar Minenarbeitern aneinander, deren Tod das Imperium auf seine Spur bringen. Wir befinden uns auf dem Planeten Morlana One, wo das Imperium riesige Minen unterhält. Wie Andor dort landete wird in Rückblenden erzählt, die auf seinem Heimatplanet Kenari spielen und ganz ungewohnte Figuren zeigt: Menschen, die deutlich den indianischen Völkern Südamerikas nachempfunden sind, die eine unbekannte (und nicht untertitele) Sprache sprechen und sich mit Blasrohren verteidigen.
Deutliche Bezüge zu Kolonialisierung, Sklaverei, der Vernichtung indigener Völker, daraus folgend auch zu Migration und Flüchtlingsströmen. Gerade das Cassian von Diego Luna gespielt wird, einem Mexikaner, der selbst immer wieder von seinen schwierigen Erfahrungen in Amerika und dem Hollywood-System berichtet hat, verleiht „Andor“ eine ganz eigene Note. Nicht mehr die edlen Jedi-Ritter stehen im Mittelpunkt, nicht das Leben am Hofe von Prinzessin Amidala und ihrem Hofstaat, sondern Arbeitsmigranten, die unter sklavenähnlichen Bedingungen für das Imperium schuften.
Doch nicht nur das Figurenpersonal unterscheidet „Andor“ wohltuend vom Star Wars-Kosmos der letzten Jahre, auch der Stil der Serie überzeugt. „Mandalorian“ und „Obi-Wan Kenobi“ wurden fast vollständig im Studio gedreht, mittels des sogenannten „Volume“-Systems, eine Art kugelförmige Rückprojektion, die zwar eindrucksvolle, aber auch immer etwas austauschbar wirkende Bilder erzeugt. „Andor“ dagegen wurde auf realen Sets gedreht, die dem Geschehen eine ansprechende Physis verleihen. Das zudem in den ersten drei Folgen fast völlig auf Action verzichtet wird, erst zum Ende des ersten Handlungsbogens ein kleiner Schusswechsel stattfindet, unterscheidet „Andor“ auf angenehme, erfreuliche Weise. Ob der Rest der ersten Staffel diese Qualität halten kann wird sich zeigen, ein ansprechender Anfang wurde jedenfalls gemacht.
Abb.: Disney+
Andor • USA 2022 • Stoffentwicklung: Tony Gilroy • Darsteller: Diego Luna, Stellan Skarsgård, Alex Ferns, Genevieve O’Reilly • 12 Folgen, die ersten drei sind jetzt bei Disney+ zu sehen, jeden Mittwoch eine neue Episode.
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