Feuer und Blut
George Millers grandioses Blockbuster-B-Picture „Mad Max: Fury Road“
Es gibt immer wieder Momente der Ruhe in „Mad Max: Fury Road“, Momente, in denen George Miller innezuhalten scheint, sich, seinen Figuren und dem Publikum einen Moment Ruhe gönnt, bevor es weiter geht, unaufhaltsam, immer vorwärts, nie zurückblickend, mit einer Wucht, wie man sie lange nicht mehr erlebt hat, erst recht nicht in einer 150 Millionen Dollar teuren Hollywood-Sommer-Blockbuster-Produktion.
Man kann den Verantwortlichen bei Warner Brothers nur gratulieren und danken, dass sie den Mut hatten, einen Film zu produzieren, dessen Handlung sich im Prinzip auf ein Wort reduziert: Überleben. Ein paar vage einleitende Voice-Over-Worte erzählen irgendetwas von einer Apokalypse, ein paar Bilder blitzen auf, die eine vage Ahnung davon geben, was Max Rockatansky (Tom Hardy) vor Beginn des Films erlebte, aber eigentlich ist alles, was war, egal. Was zählt, ist jetzt, was zählt ist, die nächsten Minuten zu überleben, und um dieses Ziel zu erreichen, muss Max schnell sein, schneller als diverse Gegner.
Bald schließt er mit Furiosa (Charlize Theron) einen Pakt, denn die kahlköpfige Amazone fährt einen schwer bewaffneten Laster, der die Überlebenschancen erhöht. Mit dabei sind einige unwirklich schöne Grazien, die in dieser dystopischen Welt nicht mehr als Gebärmaschinen sind, die Furiosa aus den Klauen des Sektenanführers Immortan (Hugh Keays-Byrne) befreit hat. Sie zu retten ist ihr Ziel, das sich passenderweise mit Maxs Ziel zu überleben deckt.
Kaum mehr als eine Skizze ist diese Geschichte, ein loses Gerüst, das Miller nutzt, um sich visuell auszutoben. Was hier an absurden Kostümen, Dekors, Piercings, Tattoos und anderen Körperverzierungen aufgefahren wird, ist einmalig und da hat man noch nichts über das Wichtigste gesagt: Autos, viele viele Autos. Monstertrucks, Sandbuggies, Laster und allerlei anderes Gefährt ist die Basis, auf der Designer begannen und die Wagen mit jeder erdenklichen Bewaffnung, metallischer Verkleidung und vielen Totenköpfen aufgemotzt haben. Allein diese Fahrzeuge zu sehen ist schon eindrucksvoll, sie in rasender Bewegung zu erleben, ist spektakulär.
Wie viel von „Mad Max: Fury Road“ tatsächlich in echter Handarbeit entstand, und was im Computer, ist schwer zu sagen, spielt aber letztlich keine Rolle. Denn was George Miller gegenüber den allermeisten anderen Regisseuren auszeichnet, ist ein Gespür für Action, für Raum, für organisiertes Chaos. Hier geht es nicht um möglichst schnelle Schnitte, sondern um ein stetig wachsendes Gefühl der Beschleunigung. Oft wählt Miller lange Einstellungen, gibt keinen Blick vor, sondern lässt den Zuschauer selbst die Wahl, welches Detail der oft extrem vollen, aber nie wirren Bilder er betrachten mag. Punktiert eingesetzte Zeitlupenmomente, pulsierende, aber nie überwältigende Musik verstärken den Rausch der Action, dem man sich kaum entziehen kann.
Nach einem spektakulären Beginn lässt es Miller in der Mitte etwas ruhiger angehen, zieht die Geschichte an längeren Set-Pieces auf, gönnt sich Momente der Ruhe, die den Charakteren erstaunliche Tiefe verleihen, bevor er zum furiosen Finale ansetzt. Zwei Stunden ist dieser „Mad Max“ lang und damit deutlich länger als die ersten beiden Filme der Reihe (den Tina Turner-Thunderdome vergessen wir hier mal geflissentlich…). Ein bisschen lang ist das zwar schon, nicht immer ist der Drive so unerbittlich wie in den besten Momenten, doch selbst wenn George Miller es für ein paar Minuten ruhig angehen lässt, ist „Mad Max: Fury Road“ immer noch mitreißender als die meisten anderen Blockbuster-Filme. Der Filmsommer hat zwar gerade erst begonnen, aber besseres wird es kaum zu sehen geben.
„Mad Max: Fury Road“ läuft ab dem 14. Mai im Kino.
Mad Max: Fury Road • Australien/USA 2015 • Regie: George Miller • Darsteller: Tom Hardy, Charlize Theron, Nicholas Hoult, Hugh Keays-Byrne
Kommentare