24. November 2021

„Hawkeye“: Der nächste Marvel-Volltreffer?

Die ersten beiden Episoden der neuen MCU-Serie stehen seit heute auf Disney+

Lesezeit: 4 min.

Genau einen Monat vor Weihnachten fängt man bei Marvel und Disney+ mit der Bescherung an. Denn auf der Streaming-Plattform des Multimedia-Imperiums stehen seit 24. November die ersten zwei Folgen von „Hawkeye“ online, dem neuesten Kapitel in der formatübergreifenden Erfolgsgeschichte des Marvel Cinematic Universe, dessen Bandbreite und Möglichkeiten sich durch die Serien auf Disney+ noch mal vergrößert haben.

Nach „WandaVision“, „Loki“ und „What if…?“ ist „Hawkeye“ vom Ansatz her allerdings wieder wesentlich konventioneller: Ein moderner New York-Krimi in der Marvel-Welt, ein witziges Christmas-Mystery und eine urbane, geerdete Superhelden-Story mit dem Avenger Clint Barton alias Hawkeye. Eigentlich weilt der meisterhafte Bogenschütze zu Beginn der „Hawkeye“-Serie bloß deshalb mit seinen Kids in New York City, um das Avengers-Musical zu sehen ­– die Trauer um seine beste Freundin Black Widow vermiest ihm diese fragwürdige Erfahrung aber noch mehr als die Inszenierung auf der Bühne. Zur selben Zeit stolpert die junge Studentin Kate Bishop in der weihnachtlich herausgeputzten Stadt über eine Schwarzmarktauktion, die Trainingsanzug-Russenmafia und das Ronin-Kostüm, in dem Clint einst zum brutalen Rächer mit Samurai-Schwert geworden ist. Der schweigsame Helden-Veteran will die Sache für Kate bereinigen und nur weiter mit seiner Familie Weihnachten feiern, doch die vorwitzige Kate durchkreuzt seine Pläne und bringt sie beide in größere Schwierigkeiten. Wenigstens rettet die exzellente Bogenschützin, Fechterin und Kampfkünstlerin unterwegs Pizza Dog aus dem New Yorker Verkehrschaos. Außerdem fühlt sie dem verdächtigen Verlobten ihrer Mutter auf den Zahn, der ebenfalls mit dem Schwert umzugehen weiß …

Die erste „Hawkeye“-Episode ist nahezu perfekt: Eine hervorragende Einführung von Kate Bishop, deren Herkunftsgeschichte im MCU mit dem ersten „Avengers“-Film von 2012 und explizit Clints Wirken in der Schlacht um Manhattan verknüpft wird. Hailee Steinfeld stellt als Idealbesetzung für die tolle Figur die erhoffte Bereicherung des Blockbuster/Serien-Kanons von Marvel dar. Sie hat obendrein eine super Chemie mit Jeremy Renner, der im MCU seit 2011 den Bogenschützen verkörpert, den Stan Lee und Don Heck 1964 im Comic Tales of Suspense 57 einführten. Vor ein paar Jahren regten sich Fans der Avengers-Streifen noch darüber auf, dass Robert Downey Jr. als Tony Stark/Iron Man in Zuge des Strebens nach Diversität durch die junge Riri Williams/Ironheart ersetzt werden könnte, die 2016 in den Comics debütierte und 2022 eine Serie auf Disney+ bekommt.

Dabei scheint die Mechanik der schrittweisen Wachablösung logisch: Die Darsteller der ersten MCU-Filmwelle kommen in die Jahre, Downey Jr. geht auf die 60 zu, Renner wurde dieses Jahr 50. Kate Bishop feierte ihren Einstand als Hawkeye der nächsten Generation außerdem bereits 2005 im Comic Young Avengers von Allan Heinberg und Jim Cheung – also noch bevor die Marvel-Comics ein Stück weit zum Steinbruch der Marvel-Kassenknüller und Streaming-Hits wurden. Hailee Steinfeld, die in zwei Wochen ihren 25. Geburtstag feiert, kann man sich jedenfalls sehr gut als Hawkeye-Zukunft des MCU vorstellen. Im Comic-Universum hat Kate dank der Panel-Storys von Matt Fraction, David Aja, Kelly Thompson, Leonardo Romero und Co. längst ihren Platz als taffe, vorlaute Fanfavoritin gefunden, wie man in den frisch erschienenen Comic-Bänden „Marvel-Verse: Hawkeye“ und „Hawkeye: Kate Bishop – Die Schnüfflerin“ nachlesen kann.

Zurück zum doppelten Hawkeye-Vergnügen auf Disney+, wo man nicht zuletzt die Legende von Ronin weiterführt (und zugleich zu ihren Comic-Ursprüngen zurück), und eine neue Figur ins MCU holt. Ja, im Film „Avengers Endgame“ trug zunächst Clint Barton als finsterer Rächer der Thanos-Ära den Ronin-Anzug, der in den ersten „Hawkeye“-Episoden jetzt als klassischer McGuffin für einigen Trouble sorgt. Doch in den Comics war Maya Lopez, die 1999 als taube Daredevil-Schurken Echo vorgestellt wurde und erst später zur Heldin avancierte, noch vor Clint die erste Ronin. Fans der Marvel-Bildergeschichten wird Alaqua Cox’ vielversprechender Echo-Auftritt, der natürlich ein weiteres MCU-Serial auf Disney+ vorbereitet, definitiv freuen.

Weniger erfreulich ist indes, dass nach der ersten „Hawkeye“-Folge und trotz des ganzen Potentials und überzeugenden Personals gleich eine eher durchwachsene zweite Episode folgt – Clint auf dem Mittelalter-Live-Rollenspiel-Con ist aber leider genau die Art von Humor und Downer, auf die Martin Scorsese, Ridley Scott und Co. die Marvel-Stoffe voller Ignoranz und Verachtung reduzieren. Da Jeremy Renner und Hailee Steinfeld allein und erst recht zusammen bisher grandios sind und uns laut Trailer noch einige Elemente aus den preisgekrönten Fraction/Aja-Comics mit den Hawkeyes bevorstehen, hoffen wir einfach mal auf die Pfeile, die Marvels/Disneys „Hawkeye“-Serie noch im Köcher hat. Am 1. Dezember gibt’s die nächste Folge.

Abb.: © 2021 Marvel/Disney

Hawkeye (Folge 1 & 2) • USA, 2021 • ca. 40–50 Min. pro Folge • Showrunner: Jonathan Igla • Regie: Rhys Thomas • Drehbuch: Jonathan Igla, Elisa Climent • Darsteller: Jeremy Renner, Hailee Steinfeld, Tony Dalton, Fra Fee, Brian d’Arcy James, Aleks Paunovic, Alaqua Cox

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