11. September 2020 1 Likes

„Kin-dza-dza!“ - Russischer SF-Klassiker auf Leinwand!

Die Macht der Streichhölzer

Lesezeit: 3 min.

Vladimir wollte eigentlich nur mal kurz Besorgungen machen, trifft dann aber auf einen georgischen Studenten, der im ganzen Film nur „Fiedler“ genannt wird, weil er eine Violine mit sich trägt; eine zerlumpte Gestalt, die behauptet ein Außerirdischer zu sein, der auf seinen Planeten zurück will, wozu er bestimmte Koordinaten benötige. Vladimir glaubt ihm natürlich nicht und bestätigt selbst das Teleportiergerät – nur um feststellen zu müssen, dass er zusammen mit dem Studenten auf dem Planeten Plük in der Galaxis Kin-dza-dza gelandet ist, auf dem so einiges anderes ist: Nicht nur, dass die Bewohner telepathische Kräfte besitzen, ganz normale Streichhölzer gelten als wertvolles Zahlungsmittel. Das ungleiche Duo versucht natürlich nach Kräften, diese absonderliche Welt, deren weitere Besonderheiten und Spielregeln sie nach und nach kennen lernen, wieder zu verlassen, was aber natürlich alles andere als einfach ist …

Erst neulich wurde auf den Trailer zum koreanischen Science-Fiction-Blockbuster „Space Sweepers“ verwiesen und dabei angemerkt, dass es selten eine gute Idee ist, wenn Asiaten versuchen auf Teufel komm raus Material auf internationalem Niveau zu produzieren. Das Gleiche lässt sich über Russland sagen: Zwar ist es löblich, dass seit einiger Zeit russische Big-Budget-Produktionen („Coma“, „Attraction“, Sputnik“) zu uns gespült werden und es mag sein, dass die ein oder andere unterhaltsam ist, aber letztendlich wird doch formal wie inhaltlich meist nur dem alles dominierenden Hollywood nachgeeifert, um zu zeigen, dass man’s – trotz weniger Geld – auch kann. Das ist schade, denn der Reiz am nichtamerikanischen Kino sollte doch in eigenen Zugängen, eigenen Visionen liegen. Oder gibt es da draußen mittlerweile wirklich so viele Menschen, die immer und immer wieder das Gleiche wollen?

Das war jedenfalls mal anders: „Kin-dza-dza!“ fährt auf einer ganz, ganz eigenen Spur und brachte es damit im Heimatland 1986 mit 15,7 Millionen Zuschauern auf Platz 14 der Jahrescharts, blieb außerhalb der Sowjetunion (wo er bis heute als Kultfilm gilt) allerdings jahrzehntelang unentdeckt, selbst in der DDR gab es keine Auswertung. Woran das lag, kann nur gemutmaßt werden: Sicher, die leicht philosophisch angehauchte Odyssee ist deutlich zu lang geraten und erinnert stellenweise eher an absurdes Theater als an einen Spielfilm, besticht aber ebenso durch tolle, surreale Bilder, die durch geschickten Einsatz von Kulissen und Effekten vergessen lassen, dass man sich die meiste Zeit eigentlich in einer Wüste aufhält, und wirklich wilden Humor, der alle Schattierungen zwischen Sarkasmus und Quatsch abdeckt und mit einem Schuss Tiefsinn gewürzt ist (der sich nicht-russischen Zuschauern vermutlich nicht vollumfänglich erschließen wird; einige Punkte, wie zum Beispiel, dass die Bewohner von Plük nach einer Reihe völlig unsinniger Regeln leben ohne diese je zu hinterfragen, sind aber universell).

Das das Ganze trotz allen Übersteuerungen nie vollends auseinander bricht ist dem charismatischen Hauptdarsteller Stanislaw Ljubschin zu verdanken, der sich mit seiner geerdeten, stoischen Figur als Ruhepool in einem Film, dem der Irrwitz nur so aus allen Poren quillt, empfiehlt. „Kin-Dza-Dza!“ dürfte der einzige Science-Fiction-Film sein, in dem die Hauptfigur im klassischen Causal-Look urplötzlich aus seinen grauen Arbeitsalltag in eine komplett andersartige Umgebung teleportiert wird und dies ohne jeden Ausdruck der Überraschung lediglich mit einem herausgeknurrten „Das Scheißding hat also funktioniert!“ kommentiert.

„Kin-Dza-Dza!“läuft seit dem 10.09.2020 im Kino. Die Termine finden sich hier!

„Kin-Dza-Dza!“ (Sowjetunion 1986) • Regie: Georgi Daneliya • Darsteller: Stanislav Lyubshin, Yevgeni Leonov, Yuri Yakovlev, Levan Gabriadze, Olga Mashnaya, Irina Shmelyova

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