King Kong und der starke Mann
„Rampage: Big Meets Bigger“ oder: Once more with feeling
Wenn es in den letzten zwei Jahrzehnten einen Mimen gab, der sich mit regelmäßiger Beteiligung an effektvollen, aber erzählerisch zweifelhaften Kassenschlagern wie Welcome to the Jungle oder der Fast & Furious-Reihe zum Testosteron-Gesicht des kontemporären Blockbusters aufschwingen konnte, dann sicher Ex-Wrestler Dwayne „The Rock“ Johnson. Dessen Eignung als perfekte Actionhero-Projektionsfläche steht zwar schon optisch aufgrund seines grotesk überzeichneten Körperbaus außer Frage, doch erst die längst für jede Großproduktion in Hollywood selbstverständlich eingebaute Selbstironie machte Johnson gerade mit besonders umsatzstarken Summermovies wie der Zerstörungsorgie San Andreas, der Buddy-Fleischbeschau Baywatch oder zuletzt sogar im Kampf gegen Star Wars 8 mit der Neuauflage von Jumanji zum Muskelberg mit Charme. Dieser Qualität bedient sich nun auch Johnsons jüngster Streich Rampage (ab heute in den deutschen Kinos), um eine selbst für Blockbuster-Verhältnisse recht dünne Story mittels kalkuliertem Trick so aufzufrischen, dass man den Kinosaal kaum anders verlassen kann als mit einem Lächeln im Gesicht.
Das liegt zum einen daran, dass sich Rampage als verkappte Neufassung von King Kong und die weiße Frau mit einem Schuss Planet der Affen-Trilogie ganz auf die emotionale Verbindung von Mensch und menschlich animiertes (Riesen)Tier verlässt und auf einer Skala zwischen Trauer und Freundschaft jedes aus dieser Konstellation erwartbare Gefühl äußerst kurzweilig herauszukitzeln versteht. Mit Blick auf die Vorlage eine eigentlich bemerkenswerte Leistung, denn Rampage basiert auf einem Arcade-Spielautomaten aus den 80ern, in dem man wahlweise mithilfe riesiger Viecher wie einem Wolf und einem Gorilla Hochhäuser zum Einsturz bringen muss und es ganz im Sinne der damaligen Zeit kein echtes Narrativ abseits dieses Spielprinzips obendrauf gab – wer brauchte das schon seinerzeit?
Doch wie im vergleichbaren Fall der Brettspiel-Adaption Battleship gelang den Rampage-Machern rund um das Produzententeam Beau Flynn, John Rickard, Brad Peyton und Hiram Garcia (die mit Johnson bereits zusammengearbeitet hatten), auch aus einem Videospiel ohne erzählerischen Gehalt einen halbwegs tragfähigen Plot zu destillieren, der das kolosaale Gekloppe zwischen Mensch und mutierten Tieren zusammenhält.
Johnson übernimmt darin die Rolle des Primatenforschers Davis Okoye, dessen Verbindung zu anderen Menschen meist nur darin besteht, mit ihnen gemeinsam seine tierischen Freunde zu untersuchen. Vor allem mit George, einem außergewöhnlich intelligenten Silberrücken-Gorilla, den er vor einem grausamen Schicksal bewahrt und seitdem aufgezogen hat, verbindet Davis eine tiefe Freundschaft. So weit so gut, würden nicht eines Tages die Überreste eines illegalen Genexperiments nach einem Zwischenfall im All auf der Erde landen und Georges DNA systematisch verändern.
Der sanftmütige und mittels Zeichensprache mit Davis kommunizierende Gorilla beginnt immer mehr zu wachsen und wird damit zur echten Bedrohung. Doch da neben George auch ein Wolf und ein Alligator über jedes Maß hinauswachsen, tritt schon bald der Ausnahmezustand in Kraft und selbst das Militär scheint der Situation kaum gewachsen. Als die skrupellose Claire Wyden (Malin Åkerman) mit ihrem Unternehmen als Verursacherin der Experimente dann auch noch versucht, ihre Spuren zu verwischen und dazu die drei Mutanten direkt nach Chicago lotst, droht die totale Zerstörung der Stadt.
Natürlich kann nur ein (wie in seinen meisten Rollen) auch diesmal wieder sehr gut aufgelegter Johnson aka Davis den Tag retten, der sich mit weiblicher Sidekick-Unterstützung einer leider insgesamt eher blassen Naomi Harris (Moonlight) in den Kampf stürzt, und im Verlauf des nicht ganz zweistündigen Effektgewitters eine Wandlung vom einfühlsamen Wissenschaftler mit Army-Vergangenheit hin zum todesmutigen Weltenretter hinlegt. Dass sich Rampage bei seiner holprigen Dramaturgie dabei immer wieder den Luxus leistet, kleine Logikfehler und andere offenkundige Merkwürdigkeiten wie einige sehr plump konstruierte Zufälle nicht mal zu verschleiern, ist dabei ebenso geschenkt wie Jeffrey Dean Morgans leider schlicht peinliche Performanz.
Denn der vor allem in seiner Paraderolle als zynischer Anführer Negan aus The Walking Dead bekannte Actor, gibt hier als Special Agent der Regierung eine bis in die Körperhaltung eingepasste Karikatur seiner WD-Figur, die es in dieser überzogen selbstreferenziellen Form nicht gebraucht hätte. Wie fast alle weiteren Charaktere schafft es auch Malin Åkerman (Watchmen, Rock of Ages) als zu überbetonte Bösewichtin nicht über die Klischeekante und erfüllt ihren Zweck als Funktionsträgerin nur nach Vorschrift.
Das mag sich bisher sehr hart anhören, doch letztlich muss und darf man Rampage mit gutem Gewissen attestieren, speziell an der Mensch-Tier-Front eben genau das einzuhalten, was ein so hochbudgetiertes Projekt verspricht. Im Ergebnis kommt so ein mit einer überraschend überzeugenden Buddy-Chemie zwischen Johnson und George geladener Feelgood-Film heraus, der – anders als beispielsweise viele Werke von Roland Emmerich – nie so tut als wäre er mehr. Die Zerstörungsorgien sehen klasse aus, die drei Giganten sorgen – natürlich – speziell zum Finale für viel Kabumm und Drama und doch ertappt man sich selbst vor allem in den Szenen mit George dabei, sich trotz aller Vorhersehbarkeit emotional durchaus mitreißen zu lassen.
Uns gerade mit opulenter Tricktechnik und der Vermenschlichung andersartiger Wesen einige Gefühle zu entlocken, die wir außerhalb des Kinosaals nur selten offen zuzulassen, war und ist schließlich schon immer eine der größten Stärken der Traumfabrik gewesen. Außerdem ist es Regisseur Brad Payton (ebenfalls bei San Andreas und Die Reise zur geheimnisvollen Insel schon mit Johnson im Einsatz) positiv anzurechnen, dass er dankenswerterweise zugunsten des völlig ausreichenden Freundschaftsmotivs als Taktgeber auf die üblichen, meist ohnehin grottenschlecht eingeflochtenen Gefühlsgassenhauer wie eine Lovestory oder die furchtbar altbackene Ideologie einer von Daddy zu rettenden Kernfamilie verzichtet.
So reiht sich Rampage trotz seiner verzeihlichen Schwächen stimmig in das bisherige Schaffen seines Hauptdarstellers ein und serviert einen grundsoliden Blockbuster-Mix, der angenehm konsequent seine Linie bis zum Schluss durchzieht. King Kong war selten bombastischer und niemals lieber als hier. Das ist doch schon ganz ordentlich.
„Rampage: Big Meets Bigger“ ist seit dem 10. Mai 2018 in den deutschen Kinos zu sehen.
Rampage: Big Meets Bigger • USA 2018 • Regie: Brad Payton • Darsteller: Dwayne Johnson, Jeffrey Dean Morgan, Malin Åkerman, Naomi Harris
Abb. © Warner Bros.
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