19. Mai 2014

Let's Do the Time Warp

„X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ von Bryan Singer

Lesezeit: 3 min.

Zeitreisen sind eine trickreiche Sache, das weiß jeder Kinogänger spätestens seit Zurück in die Zukunft. Irgendwo in einer Version des Jahres 1955 liegt dort noch ein Hoverboard rum und im Wilden Westen steht eine DeLorean-Zeitmaschine. „Lass uns nicht über Zeitreisen reden, sonst sitzen wir morgen noch hier und legen Streichholzdiagramme“, wischt Bruce Willis in Looper alle logischen Einwände vom Tisch. Die Zeitlinie des „X-Men“-Franchise ist durch diverse falsche Spuren und einen kompletten Neubeginn bereits ziemlich zerschossen, etwa: Warum sieht Professor Xavier Anfang der 60er Jahre junge Mutanten mit seinem Cerebro-System, die dann Ende der 90er Jahre gerade mal 30 Jahre alt sind? Kann Wolverine seine Amnesie an- und ausschalten, so wie Professor X mal einen Rollstuhl braucht und mal laufen kann?

Um diese und andere Fragen zu beantworten hat sich der erste Regisseur der „X-Men“-Serie wieder auf den Chefstuhl gedrängelt. Und um es gleich vorweg zu sagen: Bryan Singers Rückkehr zu dem Franchise, das er selber geschaffen hat, ist triumphal geworden. Und: Ja, er schafft es die Figuren aus seinen eigenen Filmen und die aus dem Prequel Erste Entscheidung zusammen zu bringen, ohne dass sich der Zuschauer den Kopf wund kratzt.

In einer düsteren Zukunft, viel zu nahe an unserer eigenen Zeit, leben nur noch eine Handvoll Mutanten, die normalen Menschen werden von einem brutalen Überwachungssystem unterdrückt. Unter Führung von Professor X und Magneto (hier noch die beiden „alten“ Darsteller Patrick Stewart und Ian McKellen) gelingt es, Wolverine in die Vergangenheit zurück zu schicken; er soll die Ereignisse ungeschehen machen, die zur Vernichtung geführt haben, sein Bewusstsein wird in seinen 1972er Körper übertragen. Doch bereits in den frühen 70er Jahren ist schon einiges schief gegangen: Magneto (Michael Fassbender) sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis, Xavier (James McAvoy) hat nach der Katastrophe in Erste Entscheidung die Schule geschlossen und läuft herum wie eine Mischung aus Bruce Wayne und Big Lebowski, Mystique ist zur gnadenlosen Rächerin geworden. Gleichzeitig blasen der Industrielle Bolivar Trask und sein Unterstützer aus dem Militär, Colonel Stryker zur Mutantenjagd. Kurz: Die X-Men haben in beiden Zeitebenen alle Hände voll zu tun, denn im Jahr 2023 steht der letzte Angriff von Trasks Sentinel-Robotern bevor.

Ganz anders als ursprünglich befürchtet kübelt Singer eben nicht das gesamte „X-Men“-Universum mit seinem unüberschaubaren Personal über den Zuschauer aus: er beschränkt sich auf wenige Hauptfiguren – Wolverine, Beast, Mystique, Magneto und Xavier – und einige großartige Nebenfiguren: Ellen Page darf als Kitty Pride mal wieder furchtbar leiden und Quicksilvers Aktion bei der Befreiung von Magneto ist einfach umwerfend komisch und spielt gekonnt mit den 3-D-Effekten des Films. Für die alten Fans baut Singer schöne Referenzen und Zitate ein (Jean Grey, Strykers Sohn) und modernisiert die etwas altbackene, aber viel geliebte Comic-Story („Days Of Future Past“ erschien in den Heften 141 und 142 der Serie „Uncanny X-Men) aus dem Jahr 1981. Dort wurde übrigens Kitty Pride aus dem Jahr 2013 in das Jahr 1980 zurück geschickt, um die Zukunft zu verändern.

Bryan Singer ist ein Vertreter der Devise „show, don’t tell“, er wirft den Zuschauer einfach in das Abenteuer hinein. Der kann sich an einen grandiosen und kurzweiligen Actionfilm erfreuen, der genau die richtige Balance zwischen Spannung, Tragik und Humor findet, der die verschiedenen Zeitebenen geschickt miteinander verknüpft und der seinen Hauptfiguren fast so etwas wie ein Happy-end gönnt.

Wie es nun weiter geht? Nach den 60er Jahren in Erste Entscheidung und den 70ern in Zukunft ist Vergangenheit spielt der für 2016 angekündigte Apocalypse in den 80ern. Mit anderen Worten: „Let’s do the time warp again“, und vielleicht wird dann auch mal erklärt, warum McAvoys Xavier wie ein bekiffter Zottelhippie aussieht und Stewarts wie eine polierte Billardkugel. Immerhin: Nach diesem Mittelteil der zweiten „X-Men“-Trilogie wissen wir, warum Xavier ein Rein-Raus-Spiel mit dem Rollstuhl geben muss.

Einen kleinen Vorgeschmack auf X-Men: Apocalypse gibt es übrigens in der nun schon obligatorischen Post-Credits-Szene.

„X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ startet am 22. Mai in den Kinos

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit (X-Men: Days Of Future Past; USA 2014) • Regie: Bryan Singer • Darsteller: Hugh Jackman, James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence, Ellen Page, Nicholas Hoult, Peter Dinklage, Patrick Stewart, Ian McKellen

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