MacDamon auf dem Mars
Die gelungene Bestsellerverfilmung „Der Marsianer“ zeigt Ridley Scott in ungewohnt ironischer Laune
Es tut sich was im Science-Fiction-Kino. Jahrelang schienen sich Filmemacher (und das Publikum) mit reinen Schauwerten zufrieden zu geben, ließen es krachen und schalteten das Gehirn aus. Doch in den letzten beiden Jahren – nicht zufällig im Herbst, wenn das Wetter kühler und die Filme intelligenter werden – kamen mit dem visuell revolutionären „Gravity“ und dem kraftvollen, überwältigenden „Interstellar“ zwei Science-Fiction-Filme in die Kinos, die bewiesen, dass sich Unterhaltung und Denken nicht zwangsläufig ausschließen müssen. Ridley Scotts Verfilmung von Andy Weirs Bestseller „Der Marsianer“ (im Shop) setzt diese Reihe nun fort. Dass er dabei strengen wissenschaftlichen Untersuchungen standhalten würde, mag man – besonders im dann doch sehr actionlastigen letzten Drittel – zwar nicht behaupten, über weite Strecken ist er jedoch von angenehmer Bodenhaftung geprägt.
Die Geschichte ist einfach und klassisch: Der Astronaut Mark Watney (Matt Damon) strandet bei einer Marsmission auf dem roten Planeten. Während seine Crew auf dem Weg zurück zur Erde ist, unwissend, dass er noch lebt, beginnt Mark sein Gehirn einzuschalten: Genug Essen hat er nicht, also muss er improvisieren, Kartoffeln anpflanzen, irgendwie ein Treibhaus bauen und vor allem: Kontakt zur Erde herstellen. In bester MacGyver-Manier agiert Damon hier, und aus seinen inzwischen nicht mehr ganz jungen Gesichtszügen sprechen Intelligenz und Einfallsreichtum, die man dem einst als etwas tumb verschrienen Schauspieler kaum zugetraut hätte. Über weite Strecken könnte man den „Marsianer“ als Dokumentation über Leben und Überleben auf einem unwirtlichen Planeten bezeichnen, allerdings nur fast. Denn wenn Ridley Scott ein Talent hat, dann ist es weniger ein Faible für komplexe Geschichten, als sein visuelles Gespür. Bei der Wahl seiner Drehbücher greift er zwar immer wieder daneben, doch auch die langweiligste Geschichte weiß er optisch eindrucksvoll in Szene zu setzen. Dass er hier zudem oft interessanten Nutzen aus der 3D-Technik zieht, macht den „Marsianer“ erst recht zu einer visuellen Augenweide.
Diese Opulenz sticht in einer eher kammerspielartigen Story deutlich heraus, in der über weite Strecken Matt Damon allein agiert. Zwar hat er hier keinen Volleyball Wilson oder einen beliebigen Vierbeiner als Gesprächspartner zur Verfügung, kommuniziert dafür aber ausführlich mit seinem Videotagebuch. Und zwar in betont ironischer Weise, was den Film in gewisser Weise zur ersten Komödie macht, die Scott gedreht hat. Dass Watney selbst in höchster Not immer einen locker-flockigen Spruch auf den Lippen hat, verhindert zwar, dass so etwas wie Dramatik entsteht oder dass man auch nur ansatzweise an seiner schlussendlichen Rettung zweifelt (die dann auf gleichermaßen hanebüchene wie mitreißende Weise erfolgt), aber dieser Tonfall ist schließlich schon in der Romanvorlage angelegt.
Dass angesichts des Fokus auf Matt Damons Figur ein exquisites Schauspielerensemble mit Jessica Chastain, Chiwetel Ejiofor, Jeff Daniels, Michael Peña, Kristin Wiig oder Kate Mara zu kaum mehr als Stichwortgebern reduziert wird, kann man getrost verschmerzen, denn Matt Damon dabei zuzuschauen, wie er in seinen eigenen Fäkalien Kartoffeln züchtet, ist ein unvergessliches Bild in einem höchst unterhaltsamen, angenehm erwachsenen Science-Fiction-Film, der ganz ohne Laserkanonen und Sternenschlachten auskommt. Aber von denen werden wir in ein paar Wochen ja mehr als genug erleben.
Der Marsianer • USA 2015 • Regie: Ridley Scott • Darsteller: Matt Damon, Jessica Chastain, Chiwetel Ejiofor, Jeff Daniels, Michael Pena, Kate Mara • Kinostart: 8. Oktober 2014
Abb. © 2015 Twentieth Century Fox
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