2. Februar 2021

„Mortal“ - Mythen der Gegenwart

Ein norwegischer Film imaginiert die moderne Version einer alten Geschichte

Lesezeit: 3 min.

Beim Schreiben über Filme stellt sich oft die Frage, wie viel man verraten soll oder darf. Klar, den Täter eines Krimi zu verraten geht gar nicht, aber zu erwähnen, dass James Bond auch dieses Mal die Welt rettet nimmt nicht wirklich die Spannung. Etwas schwieriger ist die Frage bei einem Film wie „Mortal“, mit dem der norwegische Regisseur André Øvredal nach „Scary Stories to Tell in the Dark“, seinem recht erfolgreichen Ausflug in amerikanische Genregefilde, wieder in seine Heimat zurückkehrt.

Mit „Trolhunter“ hatte er sich schon einmal auf originelle Weise mit den Geschichten nordischer Mythologie beschäftigt, ähnliches tut er auch in „Mortal“, lässt sich dabei aber viel Zeit. Wer sich den Trailer anschaut, die vielen Blitze und verborgenen Runensteine zusammenzählt, kann sich denken worauf die Geschichte um einen verstörten Mann, der durch die norwegischen Wälder stromert, hinausläuft. Alle anderen seien gewarnt, ab hier folgen Spoiler.

Um Eric (Nat Wolff) geht es, einen jungen Mann, der aus Amerika nach Norwegen zurückgekehrt ist, um nach Spuren seiner Herkunft zu suchen. Bei einem Unglück auf dem Anwesen der Familie brach ein Brand aus, der alle außer Eric tötete. Seitdem streift Eric durch die Wälder, sieht aus wie ein Waldschrat und vermeidet den Kontakt zu anderen Menschen. Aus gutem Grund, denn in Erics Nähe ist es nicht sicher, geraten Bäume in Brand, schlagen Blitze ein. Als er gar einen Jugendlichen durch bloße Berührung tötet, wird Eric verhaftet und kommt mit der Psychologin Christine (Iben Akerlie) in Kontakt. Die ahnt, was hinter Erics scheinbar unkontrollierten Kräften steckt, ganz im Gegensatz zu Cora Hathaway (Priyanka Bose), einer Agentin der amerikanischen Regierung, die Eric zurück in seine Heimat bringen will. Ein Hubschrauberabsturz später ist Eric zusammen mit Christine auf einer langen Flucht durch malerische norwegische Landschaften, verfolgt von den Sicherheitskräften und der Suche nach Spannung.

Es dauert eine gute Stunde, bis sich das Rätsel um Erics Herkunft langsam zu lösen beginnt, seine Berichte von Visionen, bei denen er einen mythischen Baum sieht, auf Yggdrasil hindeuten, den Weltenbaum der nordischen Mythologie. Ein moderner Gott scheint Eric zu sein, bewirkt Wunder, wird schnell zum Idol der Massen. Spannende Fragen werden angerissen, die das holprige Drehbuch oft verschenkt. Manches bleibt unterentwickelt oder unverständlich, die Besessenheit etwa, mit der die amerikanische Agentin versucht, Eric aufzuhalten, vor allem aber die Wirkung, die Eric auf die Bevölkerung auslöst.

Man könnte „Mortal“ als Versuch eines norwegischen Regisseurs verstehen, die nordischen Mythen, die Figur des Thor Hollywood zu entreißen und wieder in die Heimat zurückzuführen. Kein bombastisches Marvel-Abenteuer ist dies, keine gigantische Produktion, sondern ein oft intimes emotionales Drama. Schade, dass sich André Øvredal dennoch immer wieder im Versuch verzettelt, eine Superhelden-Originstory der anderen Art zu erzählen und dabei doch die Ansprüche eines gewöhnlichen Genrefilms zu erfüllen. So wie seine Hauptfigur zwischen seiner norwegisch-amerikanischen Herkunft hin und her gerissen scheint, kann auch „Mortal“ seine unterschiedlichen Ansprüche somit nur bedingt zusammenbringen.

Mortal - Mut ist unsterblich • Norwegen/USA/UK 2020 • Regie: André Øvredal • Darsteller: Nat Wolff, Priyanka Bose, Iben Akerlie • als DVD, Blu-ray, VOD

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