5. September 2024

„New Life“: Wenn die Zukunft nicht mehr ist

Zombiehorror mit einem besonderen Dreh

Lesezeit: 3 min.

Am bisherigen Feedback zu „New Life“ lässt sich prima das Wesen des jeweiligen Rezipienten ablesen, an der Resonanz zeichnet sich klar ab, ob der Blick stur geradeaus gerichtet ist oder auch mal spontane Abschweifungen lustvoll zelebriert werden.

Die Crux beim Regiedebüt von John Rosman ist, dass „New Life“ lange Zeit konventionelle Muster bedient. Die Welt bewegt sich am Rande einer Apokalypse, es gibt eine Verfolgungsjagd, wirklich cool geschminkte Zombies … äh, Verzeihung, Infizierte … ein wenig Gore, Spannungsmomente und Jumpscares. Nur Protagonistin Elsa Gray (die unvergessliche Penny Widmore aus „Lost“ – Sonya Walgner), eine FBI-Agentin, fällt aus dem Rahmen. Denn Gray ist an amyotropher Lateralsklerose erkrankt, einer nicht heilbaren degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems, die zu spastischen Lähmungen und dann zu zunehmenden Muskelschwäche führt, die mit Muskelschwund einhergeht. Was bei Aktivitäten im Alltag in fortschreitenden Einschränkungen resultiert. Die Überlebenszeit liegt bei zwei bis fünf Jahren, selten bleiben die Patienten bis zu zehn Jahre am Leben.

Doch trotz dieses Handicaps macht sich Elsa vor ihrer Pensionierung auf die Suche nach Ausreißerin Jessica Murdock (Hayley Erin), die vor mysteriösen Männern in Anzügen in Richtung kanadischer Grenze flieht. Die FBI-Agentin soll sie ausfindig und unschädlich machen. Jessica wiederum denkt, sie wird wegen Mordes gesucht, hat keine Ahnung, dass ein hochgradig ansteckendes Virus in ihr lauert …

Im Folgenden entspinnt sich eine Mischung aus „Auf der Flucht“ (1993) und „28 Days Later“ (2002), allerdings wesentlich kleiner, intimer, trotz aller Horror-/Thriller-Konventionen liegt der Fokus auf den beiden Frauen, wofür sich die beiden charismatischen Darstellerinnen mit starken, sensiblen Auftritten bedanken.

Das das FBI angesichts einer drohenden internationalen Katastrophe gerade mal eine, zudem noch körperlich beeinträchtigte, Frau losschickt, der ganze Apparat im Hintergrund werkelt, wirkt, trotz nachgeschobener Erklärungen, etwas zurechtgewebt. Allerdings schält sich allmählich heraus, worum es Rosman in seinem knarzenden Plotkonstrukt wirklich geht und das führt zu einem schönen Ende, das das Spektakuläre im (für so manchen Zuschauen höchstwahrscheinlich zu) Leisen sucht. So fällt der Satz „Ich wollte doch nur die Welt sehen!“ im Finale und hier liegt der Schlüssel des Films. Das Debüt ist ein Post-Covid-Film, der ein Gefühl formuliert, das wohl den meisten vertraut sein dürfte. Sicher, hoffentlich, nicht in dieser radikalen Ausprägung, aber, dass einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird, das Leben von einem Tag auf den anderen ganz anders wird, Träume mit einem lauten Knall platzen, gehört spätestens seit der Pandemie zum kollektiven Erfahrungsschatz.

„New Life“ erzählt nicht von rasenden Zombies, sondern von emotionalen Ausnahmezuständen, rückt nah an zwei Menschen ran, deren Leben plötzlich eine tragische Wende nimmt, deren Zukunft langsam erlischt. Das entfaltet nicht ganz die beabsichtigte Wirkung, da Rosman wie so viele Debütanten – vor allem für einen Film mit einer Nettolaufzeit von gerade mal 78 Minuten – etwas zu viel will, seinen beiden Figuren noch ein klein wenig mehr Raum zur Entfaltung hätte geben sollen, statt am Rande zusätzlich noch das Thema Überwachungsstaat anzureißen oder nach einer Stunde überflüssige Exposition reinzuschieben.

Trotzdem: Lieber so, als geliefert wie bestellt – gerade bei einem Film dieser Art.

New Life Kanada 2023 • Regie: John Rosman • Darsteller: Sonya Walger, Hayley Erin, Tony Amendola, Ayanne Berkshire, Nick George, Blaine Palmer • ab dem 5. September 2024 im Kino

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