11. Juli 2015 4 Likes 1

Play It Again, Harrison

Ford ist zurück, Rest egal: Für immer Adaline

Lesezeit: 3 min.

Große epische Romanze, schillerndes Porträt einer alten Seele gefangen in einem ewig jungen Körper, Jahrzehnte umspannende Liebesgeschichte, butterweiche Fantasy mit mystischem SF-Twist, sepiagetränktes Melodram aus dem Geist Douglas Sirks – das alles will „Für immer Adaline“ sein. Und ist doch am Ende bloß der Film, den sich alle angucken, um einen kleinen Vorgeschmack auf Harrison Fords Rückkehr als Han Solo zu erhaschen. Verrückt. Macht aber nichts, denn Fords Darstellung ist zugleich der größte Appeal und auch die größte positive Überraschung dieses ziemlich fußlahmen Schinkens.

Doch eins nach dem anderen. Adaline Bowman ist 29 Jahre alt, als sie im Jahr 1908 durch eine seltsame Verkettung merkwürdiger Unfälle aufhört zu altern. Was zunächst nur für kleinere Irritationen sorgt, wird schnell zum Problem, als die paranoiden 50er-Jahre sich entschließen, ihren widernatürlichen Fall irgendwo zwischen Kommunismus und Alien-Infiltration einzuordnen. Von nun an befindet sich Adaline auf der Flucht, ändert alle paar Jahre ihre Identität, verschwindet in der Masse, versucht, nicht aufzufallen. Keine Bindungen – außer an ihre Tochter, deren Alterungserscheinungen schnell dazu führen, dass die beiden in der Öffentlichkeit ihre Rollen tauschen. Das alles funktioniert ganz gut, bis schließlich, im Jetzt und Hier angekommen, ein junger Mann derart hartnäckig um die schöne Frau wirbt, dass sie sich zu einem Date überreden lässt. Und sich ungünstigerweise verliebt, denn für Adaline ist es unmöglich, nachhaltige Beziehungen einzugehen. Mehr zu verraten würde bedeuten, einige überraschende Wendungen des Plots auszuplaudern; doch interessant wird „Für immer Adaline“ eigentlich erst jetzt.

Denn während die ersten zehn Minuten des Films zunächst durchaus vielversprechend die herrlich bekloppte Prämisse des Films vorstellen, wird dann ganz schnell nicht mehr viel daraus gemacht. Das leise Noir-Versprechen des Beginns wird schnell zugunsten einer ziemlich lauwarmen Lovestory gebrochen, die eher den Geruch käsiger Hugh-Grant-Vehikel wie „Tatsächlich Liebe“ verströmt als technicoloriertes Sirk-Aroma. Das liegt natürlich am Drehbuch – aber in erster Linie an den beiden Protagonisten dieser sehr forcierten Romanze. Die stocksteife Blake mit dem immer wieder wunderbar ironischen Nachnahmen Lively trifft auf ein schwarzes Charisma-Loch namens Michiel Huisman, vor allem bekannt als Killerschönling aus „Game Of Thrones“. Gemeinsam schauspielern sich die beiden um Kopf und Kragen, erfüllen sämtliche Chick-Flick-Klischees dieses Planeten (und einiger anderer), verlieben sich unsterblich, man glaubt ihnen kein Wort. Das ist streckenweise schmerzhaft anzusehen und macht im Prinzip gar nichts aus dem von einer sonoren Erzählerstimme vorgestellten Fantasy-Konzept. Dabei hilft es nicht, dass Huisman mehr als unheimlicher Stalker denn als romantisch hartnäckiger Hofmacher daherkommt. Das möchte so total sweet und niedlich und megaromantisch sein, ist aber leider bloß total bemüht. Hier macht sich Nicholas Sparks Notizen, wie’s nicht geht.

Aber dann kommt der Grumpy Old Man des modernen Hollywood und spielt mit einer seiner besten Leistungen der letzten 20 Jahre alles in Grund und Boden. Ohne zu viel über Harrison Fords Rolle zu verraten sei an dieser Stelle gesagt, dass „Für immer Adaline“, bis hierhin scheintotes Spezimen aus der Asservatenkammer des romantischen Melodrams, plötzlich die dringend benötigte Defibrillator-Intervention bekommt. Was Ford aus seiner limitierten Screentime an Wärme, Emotion, Charakter und Identifikationspotenzial herausholt, ist schlicht atemberaubend. Ohne Witz, der Mann sorgt hier für echte Gänsehautmomente – und das sogar in der Interaktion mit der schauspielernden Schaufensterpuppe Blake Lively. Und das ist mithin auch der einzige Grund, warum man sich diesen merkwürdigen Film wirklich ansehen kann. Wer Emotionen möchte, ist mit dieser Ford-Dosis wirklich bestens bedient.

Eine starke Dosis in einem ansonsten leider – aber auch erwartbar? – in jeder Hinsicht mediokren Massenprodukt aus der 2015er Kinoküche. Schön anzusehen, aber leider hohl. Größtenteils harmlos, um es mit Douglas Adams zu sagen. Und das macht Fords Leistung eigentlich besonders tragisch, denn so viel Klasse hat „Für immer Adaline“ eigentlich nicht verdient. Am Ende bleibt wie so oft das Urteil: Kann man sehen, muss man aber nicht. Für immer indifferent.

Für immer Adaline ist seit dem 9.7. bei uns im Kino zu sehen.

Für immer Adaline (USA 2015) • Regie: Lee Toland Krieger • Darsteller: Blake Lively, Harrison Ford, Michiel Huisman, Ellen Burstyn, Kathy Baker

Kommentare

Bild des Benutzers Sebastian Pirling

Super Review. Ich liebe solche freundlich lächelnden Verrisse - und nach der Harrison-Ford-Lobeshymne habe ich sogar ein bisschen Lust bekommen, den Film zu sehen!

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