28. August 2021 1 Likes

„Reminiscence“ - Feuchter Noir-Thriller mit Sci-Fi-Deko

Zu oberflächlich, zu brav, aber irgendwie trotzdem nett

Lesezeit: 3 min.

In naher Zukunft sieht Miami dank der Klimakrise aus wie die Kulisse zu „Waterworld 2“: Komplett überflutet. Es gibt aber noch Überbleibsel des normalen Straßenverkehrs, ansonsten bewegt man sich mit Gondeln und Schnellbooten fort. In dieser feucht-, aber nur bedingt fröhlichen futuristischen Umgebung ist der Blick vor allem nach hinten gerichtet: Nick Bannister (Hugh Jackman), damals im Krieg Verhörspezialist, betreibt eine Einrichtung, in der seine Klienten mittels einer speziellen elektronischen Maschine in einem Wasserbad bestimmte Erinnerungen wieder erleben können - inklusive der kleinen Momente, die längst im Unterbewusstsein verschwunden sind. Sein Geschäft ist aber auch bei der Strafverfolgung behilflich, denn die Staatsanwaltschaft spannt ihn häufig ein, um Tatvorgänge zu rekonstruieren. Eines Tages schneit die bildschöne, mysteriöse Mae (Rebecca Ferguson) in seine Räumlichkeiten und verdreht dem stets Unrasierten völlig den Kopf. Doch eines Tages verschwindet Mae Knall auf Fall, Nick ist völlig außer sich und macht sich auf die gefährliche Suche, was seiner Assistentin Watts (Thandiwe Newton), die im Krieg als Scharfschützin tätig war und jetzt an der Flasche hängt, so manchen Nerv kostet …

Von „Reminiscence“, dem Spielfilmdebüt der „Westworld“-Co-Schöpferin Lisa Joy, Ehefrau von Jonathan Nolan, Bruder des Blockbuster-Auteurs Christopher Nolan, blieb an den US-Kinokassen noch weniger übrig als von Miami in ihrem Film und man kann’s durchaus nachvollziehen. In einer Zeit, in der vor allem die jüngere, kinorelevanten Bevölkerung einer besseren Zukunft entgegenfiebert, wirkt ein Film, der den Blick ganz weit nach hinten wirft, natürlich wie Leggins auf einer Beerdigung. Das Science-Fiction-Setting ist in den ersten Minuten einnehmend, aber schnell wird klar, dass diese heruntergekommene Wasserwelt, die hier aufgefächert wird, nichts weiter als Dekoration ist. Joy fängt mit ihrem Setting kaum was an, sondern bedient sich stattdessen munter aus dem Noir-Thriller-Baukasten der 40er-Jahre, bloß ohne den hintergründig-durchtriebenen Saft der Vorbilder.

Erzählt wird lediglich die Geschichte eines Raubeins, das trotz einer durch und durch korrupten Umwelt immer noch das Herz im rechten Fleck hat, eine Obsession für eine geheimnisvolle Schönheit entwickelt, die überraschend schnell ihr knallrotes Jessica-Rabbit-Gedächtniskleid fallen lässt, und dadurch in eine Intrige gerät, die trotz von „Inception“ inspirierten Hirnwühlereien aber leider nur wenig raffinierter Natur ist, im Schlussdrittel auch den letzten Mut verliert und eine Abbiegung in Richtung ungefilterten Kitsch macht. Bedauerlicherweise findet sich nichts von der Lakonie, den Abgründen, der Dunkelheit der Romane von Raymond Chandler, Dashiel Hammett oder auch entsprechender Filme wie „Tote schlafen fest“ oder „Chinatown“ an die sich Joy eifrig anlehnt – Nicks Resigniertheit oder seine selbstzerstörerische Obsession für Mae wirkt kaum greifbar, da die Figur einfach viel zu sehr auf die sympathische Superstar-Persönlichkeit von Hugh Jackmann zugeschnitten ist, auf den Umstand, dass Watts alkoholkrank sein soll, kommt man bloß, weil die Figur öfter davon erzählt, dass sie alkholkrank ist.

Dennoch, so richtig böse kann man dem viel zu oberflächlichen, viel zu braven Treiben irgendwie trotzdem nicht sein: Die Noir-untypisch sonnenlichtdurchfluteten Bilder sind wirklich schick anzuschauen, es gibt außerdem so visuell opulente Highlights wie den Kampf in einem gefluteten Konzertsaal, die Hauptdarsteller sind gewohnt charismatisch und die Geschichte rauscht in einem angenehm relaxten Tempo an einem vorbei. Sicherlich kein Film, für den man sich eines Tages in eines Gedächtnismaschine legen wird, es gibt aber weitaus unangenehmere Arten, die Zeit zu verplempern.

Abb.: Warner Bros.

„Reminiscence – Die Erinnerung stirbt nie“ (USA 2021) • Regie: Lisa Joy • Darsteller: Hugh Jackmann, Rebecca Ferguson, Thandiwe Newton, Cliff Curtis, Marina de Tavira, Daniel Wu • seit 26.8. im Kino

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