24. September 2014 1 Likes 2

Trojaner

Der deutsche Cyber-Thriller „Who am I“ versucht sich am Visualisieren virtueller Welten

Lesezeit: 2 min.

Eigentlich verblüffend: Immer mehr Zeit verbringt die Menschheit mit dem Starren auf Computer-Monitore, Tablets und Smart Phones, immer mehr Aspekte des realen Lebens werden in virtuelle Welten übertragen, doch an der Darstellung dieser Welten beißt sich das Kino seit Jahren die Zähne aus. Kein Wunder, ist das Sitzen vor dem Monitor und das Tippen auf einer Tastatur doch alles andere als filmisch, vom Warten auf sich öffnende Browser-Fenster ganz zu schweigen. Gerade wenn Filme sich auf die eine oder andere Weise mit dem Hacken beschäftigen, also quasi dem Eintauchen in die inneren Welten von Computersystemen, Netzwerken und dem Internet, bemühen sich Regisseure dies mit teilweise bizarren visuellen Metaphern zu visualisieren. Vor kurzem etwa taperte Daniel Brühl in „The Fifth Estate“ durch ausgedehnte Büroräume, die die vielen Schreibtische darstellen sollten, an denen Wikileaks-Mitarbeiter sitzen.

Der deutsche Cyber-Thriller „Who Am I“ geht nun noch weiter und ergeht sich in merkwürdiger Visualisierung des Hackens. Und schreckt dabei vor nichts zurück: Auf die Idee zu kommen Trojaner durch ein Trojanisches Pferd zu visualisieren – dazu gehört schon eine Menge Chuzpe…

Doch beginnen wir am Anfang: Da stellt sich der Hacker Benjamin (Tom Schilling) einer dänischen Agentin von Europol. Eine wilde Geschichte tischt er der Polizisten im folgenden auf von sich und seinen Hacker-Freunden, die sich als eine Art Mischung aus Occupy-Rebellen und Guy Fawkes gerieren, in Netze eindringen und für anarchisches Chaos sorgen. Dass diese „Hacks“ zu erheblichen Teilen aus physischer Aktion bestehen deutet schon die Schwierigkeit der Visualisierung an – und der Absurdität eines Drehbuchs, in dem die Zentrale des BND schlechter gesichert ist als ein durchschnittlicher Supermarkt. Wirklich lustig wird es aber, wenn sich die Hacker in sogenannten Dark Nets bewegen: privaten Netzen innerhalb des Internets. Da sieht man dann dunkel gekleidete Gestalten mit Hoodies und diversen Masken in einem versifften U-Bahn Wagon rumlungern und Briefumschläge tauschen, die Files darstellen sollen.

Das ist leider alles ein bisschen einfältig und weiß weder mit seinem Darsteller-Ensemble etwas Überraschendes anzufangen, noch mit seiner komplizierten Erzählstruktur, bei der man nie glauben sollte, was man sieht oder hört. Besonders schade ist aber, wie das Thema Cyber-Kriminalität verschenkt wird, wie die anarchische Ideologie der Hacker für einen Cyber-Thriller benutzt wird, der alles mögliche sein will, aber wenig ist, schon gar keine interessante Darstellung virtueller Welten. Vielleicht löst dann ja Michael Mann Anfang nächsten Jahres das filmische Problem des visualisieren virtueller Welten, wenn sein einst „Cyber“ genannter Thriller „Blackhat“ in die Kinos kommt.

Who am I • Deutschland 2014 • Regie: Baran bo Odar • Darsteller: Tom Schilling, Elyas M’Barek, Hannah Herzsprung, Wotan Wilke Möhring, Antoine Monot, Jr., Trine Dyrhom

Bilder: Sony Pictures

Kommentare

Bild des Benutzers Sebastian Pirling

Hm, auf den Film hatte ich mich eigentlich gefreut - mal nix deutsch-tatort-piefiges, sondern bunte Action. Zu doof sollte es dann allerdings auch nicht sein. Vielleicht gönn' ich mir den Film ja trotzdem ...

Bild des Benutzers Bernd Kronsbein

Ging mir auch so. Ich mochte Odars „Das letzte Schweigen“ sehr und dachte: Hey, das könnte was werden. Aber schon als ich den Trailer von „Who am I“ sah, dachte ich nur: WTF?

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