Schnallt euch an!
Episode vier und fünf von „The Expanse“, „CQB“ und „Back to the Butcher”, sind eine wahre Achterbahnfahrt
Die ersten drei Folgen der TV-Serien-Adaption der The-Expanse-Romane von James S.A. Corey (im Shop) waren im Grunde eine ausführliche Exposition. Inzwischen kennen wir uns im Sonnensystem aus; wissen, wer was zu sagen hat und wer nicht, wem man trauen sollte und wem nicht – es kann also richtig losgehen! Genau das bieten die nächsten beiden Folgen der US-amerikanischen Serie, „CQB“ und „Back to the Butcher“, womit wir bei der Hälfte der Serie angelangt wären. Kurzes Zwischenfazit: The Expanse zieht das Tempo ordentlich an, ohne dass die Story dabei an Vielschichtigkeit oder Qualität verliert. Zu schade, dass immer noch kein deutscher Sendetermin feststeht!
Achtung, Spoiler direkt voraus! Wer weder Leviathan erwacht (im Shop) gelesen noch die TV-Serie gesehen hat, sollte jetzt schleunigst den Kurs ändern!
Nachdem in „Remember the Cant“ die Crew des Shuttles Knight an Bord des marsianischen Kriegsschiffes Donnager durch die Psycho-Mangel gedreht wurde, geht in „CQB“, kurz für „Close Quarter Combat“, ordentlich die Post ab: Jim Holden, immer noch auf der Brücke der Donnager, erlebt aus erster Hand den Angriff des mysteriösen Raumschiffes, das auch für die Zerstörung der Cant verantwortlich ist, mit. Das Vorzeigeschiff der Mars-Marine hat dem Fremden nichts entgegenzusetzen. Nach ein paar nervenaufreibenden Runden ist die Donnager Weltraumschrott und die Fremden dringen ins Schiff ein. Es kommt zum „CQB“, kurz für „Close Quarter Combat“, also ein Kampf in geschlossenen, engen Räumen. Captain Yao beschließt, zu retten, was zu retten ist: Mars‘ Ruf. Sie erteilt ihrem Verhörmeister Lopez den Auftrag, Holden, Amos, Alex, Naomi und Shed von Bord zu schaffen. Sie sollen dem restlichen Sonnensystem mitteilen, was mit der Donnager passiert ist, und klarstellen, dass der Mars nicht für die Canterbury verantwortlich ist. Holden und Lopez werden in Kämpfe mit den Fremden verwickelt, und Lopez meint, dass diese vermutlich auch für das, was auf Phoebe Station passiert ist, verantwortlich sind. Auf Holdens Nachfrage erklärt er, dass die Donnager nach Phoebe beordert worden ist, nachdem sich die Station länger nicht gemeldet hat. Sie retten Amos, Naomi und Alex aus ihrer Zelle - keine Minute zu spät: Der Raum liegt an der Außenhülle des Schiffes und wurde von dem unbekannten Schiff beschädigt. Dabei wurde Shed Garvey getötet. Auf dem Weg zu den Beibooten gerät die Gruppe erneut unter Beschuss. Es gelingt ihnen, die Tachi, startklar zu machen, doch Lopez wird auf den letzten Metern verwundet. Er überträgt Holden das Kommando über die Korvette. Alex schießt sich einen Weg aus der Donnager frei und gibt Stoff, ehe Captain Yao das Schiff sprengt.
Auch auf Ceres tut sich einiges. Zunächst erfahren wir, dass Havelock nicht tot, sondern verwundet ist. Miller jagt dem toten „Nightbandit31“ nach. Ich weiß nicht genau, was ein „Sneakshot Club“ ist, aber Miller besucht einen, um Nightbandits Identität festzustellen. Der ist nämlich nicht Bizi Betiko, wie zuerst gedacht, sondern ein „Data Broker“, dessen Dienste Julie offenbar in Anspruch genommen hat. Millers Ermittlungen vollziehen sich nach wie vor in sehr kleinen Schritten – ein gutes Gegengewicht zu den Actionszenen auf der Donnager in dieser Folge.
In „CQB“ betritt außerdem Fred Johnson (Chad Coleman) zum ersten Mal die Bühne, der auf Tycho Station für die Mormonen ein Generationenschiff, die Nauvoo, baut. Die sind jedoch aufgrund von Johnsons Verbindungen zur OPA etwas nervös, was Johnson wiederum veranlasst, Klartext zu reden – für seinen Gegenüber ein einschüchterndes Erlebnis. Johnson richtet danach die extrem starken Sensoren dieses Schiffes auf die Donnager aus – offenbar hat er einen Verdacht, dass dort draußen etwas Merkwürdiges vorgeht.
„CQB“ ist die bisher actionreichste Folge in The Expanse und kann auch in Sachen visueller Ästhetik punkten. Die Donnager, ja das gesamte Mars-Design generell gelungen, von der spartanischen, kleinen Brücke ohne Fenster (wozu auch?) über die vielen roten Elemente (Helmvisiere, Nähte an den Uniformen, Metallleisten etc.) bis hin zur gezeigten Technik – alles hat einen hohen Wiedererkennungswert. Das trifft natürlich auch auf die Tachi zu. Die Korvette, in der Holden und seine Crew fliehen und die später in Rocinante umbenannt wird – wodurch sie nach der Romanlektüre in meiner Hitliste der coolsten Raumschiffe auf Platz 2, gleich hinter der unvergleichlichen Serenity, schoss – sieht im Großen und Ganzen so aus, wie ich sie mir vorgestellt habe: Nüchtern, martialisch und viel kaltes Metall im Innenraum. Ein Kriegsschiff, das erst durch die Crew irgendwie heimelig und ansprechend wird.
Ein wirkliches Highlight, wenn auch ein ziemlich blutiges, ist die Todesszene von Shed Garvey (die uns Leser nicht überrascht hat). Ihm wird von einem Projektil, das die Außenwände der Donnager durchdringt, der Kopf förmlich abgerissen. Das Blut wird langsam durch den Riss in der Außenhülle nach draußen gesaugt. Als später die Maschinen wieder anspringen und die künstliche Schwerkraft zurückkehrt, fällt der noch schwebende Rest Blut zu Boden – perfekt inszeniert, grandios gefilmt und gruselig, aber schön anzusehen. Wenn man in einer Space Opera abtreten muss, ist das die Todesszene, die man sich wünscht.
Chrisjen Avasarala hingegen hat in „CQB“ nur kurze Auftritte. Ihren Hauptschuldigen an der Vernichtung der Canterbury hat sie verloren, jetzt ist erst einmal nachdenken und neu formieren angesagt.
Das tut sie dann in Episode 5, „Back to the Butcher“, wohl auch, denn hier taucht Avasarala gar nicht auf. Stattdessen bekommen wir in Rückblenden einen ziemlich beunruhigenden Einblick in die Vergangenheit von Fred Johnson, dem „Schlächter der Anderson-Station“. Dabei geht The Expanse sehr geschickt zu Werke, denn die Ereignisse auf der Bergbaustation scheinen für jeden, der die Bücher und die dazugehörige Kurzgeschichte nicht gelesen hat, bis zum bitteren Ende nichts mit der aktuellen Handlung zu tun zu haben. Abgesehen davon taucht Johnson vor allem in einer Video-Botschaft an Holden, Naomi, Amos und Alex an Bord der Tachi auf. Er lädt sie nach Tycho Station ein und bietet ihnen Schutz und Hilfe. Naomi will nicht, weil Fred Johnson ihr unsympathisch ist. Ihre Weigerung wirkt etwas dünn, zumal sie Johnson nicht zu kennen scheint und von dessen blutiger Vergangenheit nichts weiß. Letzten Endes beschließt die Tachi-Crew, Andersons Angebot anzunehmen, und setzen Kurs auf Tycho. Während des Flugs erkundet die Crew ihr neues Schiff – und wer beim Anblick der Weltraum-Kaffeemaschine nicht gerührt ist, hat vermutlich auch sonst keine Gefühle für nichts und niemanden. Außerdem wird, mit Johnsons Hilfe, aus der Tachi die Rocinante, und da konnte ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Jetzt kann’s richtig losgehen!
Auf Ceres hat Miller einen handfesten Streit mit dem verwundeten Havelock, der von der Prosituierten, die ihm die Gürtler-Sprache beibringt, besucht wird. Alles in allem dient diese Szene erneut dazu, uns Millers beißenden Zynismus vor Augen zu führen, der ihn so krass von seinem Gegenstück Holden unterscheidet. Ich kann es kaum erwarten, dass diese beiden sich endlich begegnen! Obwohl Miller dezidiert unsympathisch wirken soll, kann ich mir nicht helfen: Mir gefällt dieser ziemlich kaputte Charakter, den Thomas Jane wirklich gut porträtiert. Holden ist einfach zu sehr der „gute Junge“, um wirklich interessant zu sein. Wenn ich die Wahl hätte, mit Miller oder Holden einen heben zu gehen, ist meine Entscheidung sonnenklar.
Miller gelingt es, einen Bekannten Julies aufzuspüren, der ihm einiges über ihren Charakter erzählt und dem kompletten Fall so eine weitere Prise Melancholie hinzufügt. Er erklärt ihm auch, wie man die Dienste dieses Data Brokers in Anspruch nehmen kann. Miller schaut sich in dessen Werkstatt um und findet einen Hinweis. In Julies Wohnung entdeckt er daraufhin einen Datenchip, gut versteckt in einer Robot-Maus. Die Szene ist grandios gemacht: Miller, alleine im Data-Broker-Shop wie Apartment, sagt kein Wort. Suchen und finden wird allein visuell kommuniziert – toll gespielt von Thomas Jane! Millers Jagd nach kleinen Informationsfitzelchen und Puzzelteile sind Noir pur, und es ist vor allem diese Stimmung, die das sehr reduzierte Tempo nicht allzu sehr ins Gewicht fallen lässt. Zunehmend kristallisiert sich heraus, dass es um mehr geht als nur ein verschwundenes Mädchen. Anderson Dawes (Jared Harris), der OPA-Anführer auf Ceres, bietet Miller an, ihm den Mann, der Havelock angegriffen hat, auszuliefern – wenn er denn die Suche nach Julie aufgibt, die angbelich in der OPA war. Miller, der Julie immer mehr zu einem Idealbild stilisiert, lässt sich nicht darauf ein. Er untersucht die Daten auf dem Chip und entdeckt, dass Julie offenbar auf Phoebe war und dort in ein Schiff namens Anubis umgestiegen ist. Gleich danach wird Miller entführt.
„Back to the Butcher“ ist sehr viel ruhiger als „CQB“. Die reine Handlung ist überschaubar: Miller findet einen weiteren Hinweis, Holden und seine Crew sind einmal wieder mit einem Schiff im Nirgendwo gestrandet und müssen überlegen, wie sie aus der Nummer wieder herauskommen. Wie aber schon bei den „Expositions-Folgen“ 1-3 dreht sich hier viel um die kleinen Dinge, das Zusammenspiel der Figuren, die Zusammenhänge der einzelnen Handlungsstränge und die Hintergründe, natürlich vor allem Die Geschichte Fred Johnsons. Die Stimmung der Serie steigert sich dadurch aber ins Unermessliche. Man kommt sich vor wie kurz vor einem Gewittersturm und weiß nicht so recht, ob man sich das Unwetter nun herbeisehen soll oder nicht. Für solche TV-Serien wurde das „bingewatching“ erfunden.
Bilder © Syfy
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