14. Juni 2017 5 Likes

„Wonder Woman“: DC hat die Lektion gelernt - Leider

Oder: Eine weibliche Superheldin macht noch keinen feministischen Film

Lesezeit: 3 min.

Ein Startwochenende von 103 Millionen Dollar in den USA und ein Rotten Tomato-Ergebnis von 93% sprechen eine eindeutige Sprache: „Wonder Woman“, der neueste Superheldenfilm aus der DC-Schmiede und vor allem der erste mit einer weiblichen Heldin ist ein Erfolg, zumindest auf dem Papier. Man könnte also sagen, dass DC seine Lektion gelernt hat, eine Lektion, die trotz eines weltweiten Einspielergebnisses von etwa 870 bzw. 750 Millionen Dollar für „Batman v Superman“ und „Suicide Squad“ offenbar nötig erschien, da die Marvel-Konkurrenz inzwischen mit schöner Regelmäßigkeit weit über eine Milliarde umsetzt. Und zudem von Kritikern und Publikum weit mehr geschätzt wird als die DC-Filme, zumindest seit Christopher Nolan sich von Batman verabschiedet hat. Zu ernsthaft, zu düster seien DC-Filme, heißt es oft, zu oberflächlich und auf plakative visuelle Effekte bedacht, während Marvel für seine Ironie geschätzt wird.

Diesmal ist also alles anders, der erste Auftritt von Wonder Woman, alias Diana Prince, einem Abkömmling der Amazonen, die in der Welt der Menschen gegen den Krieg an sich kämpft, hat den Trend umgekehrt. Und auf den ersten Blick ist der von Patty Jenkins inszenierte Film auch der beste neuere DC-Film, er ist runder, geschlossener als seine Vorgänger, erzählt eine klare, einfache Geschichte auf schnörkellose Weise, mit einigem Witz und Humor und hat mit Gal Gadot und Chris Pine ein sympathisches Hauptdarsteller-Duo. Andererseits ist er glatt, kontrolliert und in keinem Moment so exzessiv und gerade in visueller Hinsicht so ausufernd, wie es etwa „Man of Steel“ war. Kurz gesagt: DC hat seine Lektion gelernt und sich Marvel angepasst.

Das ist ein bisschen Schade, zeigt aber nur einmal mehr, wie wichtig im modernen Blockbuster-Geschäft die Einordnung in die „richtigen“ Schubladen ist. Besonders frappierend ist im Fall von „Wonder Woman“ dann auch, was für ein Bohei darum gemacht wird, dass hier zum ersten Mal eine Superheldin im Mittelpunkt steht, der Film zudem von einer Frau inszeniert wurde. Prinzipiell sind dies natürlich zwei Aspekte, die man nur begrüßen kann, Gleichberechtigung vor und hinter der Kamera ist längst überfällig. Doch ist der Blick, den eine Frau auf die Welt der Superhelden wirft, tatsächlich ein grundlegend anderer? Ja, wenn die natürlich unfassbar schöne Gal Gadot rennt, springt, schwimmt, hält Patty Jenkins die Kamera nicht so unverfroren auf ihren Hintern und andere der auch hier nur leicht bekleideten Körperteile, wie es etwa ein Zack Snyder getan hätte, doch damit ist es letztendlich getan. So wie bei TV-Serien die Regisseure einzelner Episoden einem vorgegebenen Look folgen, sich dem großen Ganzen der Serie unterordnen, so sind auch die Regisseure von Franchise-Produkten wie diesem kaum mehr als Gehilfen zur Ausführung eines durch und durch kontrollierten Produktes.

Allein in den schönsten Momenten des Films, wenn Wonder Woman mit wunderbarer  Entdeckungsfreude durch die ihr unbekannte Welt der Menschen läuft, spürt man Jenkins‘ Handschrift. Mit scheinbarer Naivität betrachtet Diana Prince die Welt der späten (19)Zehner Jahre, sieht einschnürende Korsetts und stellt unverblümt fest, dass die Arbeitsbeschreibung einer Sekretärin ziemlich genau das ist, was man bei den Amazonen als Sklaverei bezeichnen würde. Ob mehr solch unterschwelliger Momente Platz in einem Superhelden-Film haben ist nun eine andere Frage, die sich in „Wonder Woman“ jedoch nicht stellt: Bald setzt die typische, atemlose Handlung ein, die in ein ebenso typisches Finale mündet und es am Ende dann doch etwas egal macht, ob hier ein Held oder eine Heldin die Welt vor dem Bösen rettet, ob hier ein Mann oder eine Frau Regie führt, denn die Bilder der Schlacht entstehen ja ohnehin größtenteils im Computer. Das nun allen ernstes darüber spekuliert wird, ob es für „Wonder Woman“ Oscar-Nominierungen in den Kategorien Schauspieler oder Regie geben könnte, zeigt dann nur, wie sehr die Bewertung von Kunst in der heutigen Zeit mit dem Erfüllen der „richtigen“, dem Zeitgeist entsprechenden Erwartungen zu tun hat, jedoch wenig mit der wirklichen Qualität.

„Wonder Woman“ läuft ab dem 15. Juni im Kino. Abb. © 2017 Warner Bros. Entertainment Inc. and Ratpac-Dune Entertainment LLC

Wonder Woman • USA 2017 • Regie: Patty Jenkins • Darsteller: Gal Gadot, Chris Pine, David Thewlis, Danny Huston.

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