26. April 2020 1 Likes

Zukunft oder Gegenwart?

Die Neuauflage des Science-Fiction-Klassikers „Rollerball“ kommt zum richtigen Moment

Lesezeit: 3 min.

Im Jahre 2018 wird die Welt von Unternehmen beherrscht, die für Frieden und Wohlstand gesorgt haben, sich dafür aber unbedingten Gehorsam ausbedingen. Um die Massen bei Laune zu halten organisieren sie weltumspannende Sport-Events.

Zugegeben: Universeller Frieden und Wohlstand für alle ist abseits der westlichen Welt nicht die Realität, doch allzu weit von der unserer Gegenwart ist es nicht entfernt, was im 1975 entstandenen Sciene-Fiction Klassiker „Rollerball“ erzählt wird, der nun in restaurierter Form neu aufgelegt wird. Eine Mischung aus Rollerderby, Eishockey und Gladiatorenspielen ist der brutale Sport, der im Mittelpunkt von Norman Jewisons Film steht. Der größte Star des Spiels ist Jonathan E. (James Caan), doch gerade sein Erfolg wird für die Unternehmen zum Problem. Denn dezidiertes Ziel des Rollerball-Spektakels ist es, dass das Individuum in den Hintergrund tritt. Der einzelne Mensch soll also akzeptieren, dass er Teil der Masse ist und sich dem Diktat der herrschenden Unternehmen zu unterwerfen hat, natürlich ohne das er es merkt.

In einer Diktatur der globalen Unternehmen leben wir zwar im Jahre 2020 nicht, doch das Firmen wie Facebook, Google, Microsoft, Apple oder chinesische Megakonzerne wie Alibaba oder Baidu enorme Macht über das, was die breite Masse will und denkt ausüben dürfte außer Frage stehen. Anfang der 70er Jahre, als William Harrison die Kurzgeschichte schrieb, die Vorlage zu „Rollerball“ wurde, stand diese Entwicklung noch in den Kinderschuhen. Der für sozial engagierte Filme wie das Rassismusdrama „In der Hitze der Nacht“ bekannte Kanadier Norman Jewison war zwar alles andere als Actionfilm erfahren, aber vielleicht gerade deswegen genau der Richtige für eine Dystopie, die größtenteils in realen Sets gedreht wurde.

In München etwa, wo auf der Radrennbahn der Rudi-Sedlmayr-Halle, die für die Olympiade 72 gebaut wurde, das Rollerball-Spektakel stattfand. Unweit davon steht die erst 1973 eröffnete BMW-Zentrale, die auch heute noch durchaus futuristisch wirkt und im Film als Zentrale des Unternehmens aus Houston dient. Darüber hinaus ist „Rollerball“ geprägt von wunderbarem 70er Jahre Design, Plüschteppichen, grellbunten Möbeln, Glas und Kitsch. Und nicht zuletzt dichten Koteletten, langen Mähnen und sprießendem Brusthaar, die allerdings nicht davon ablenken sollten, wie einflussreich und visionär dieser damals finanziell gar nicht einmal besonders erfolgreiche Film war.

Auf dem umfangreichen Bonusmaterial der Neuveröffentlichung findet sich auch die Dokumentation „From Rollerball to Rome“, die nachzeichnet, wie Jewisons Film nicht nur amerikanische Filme wie „The Warriors“ oder „Escape from New York“ vorwegnahm, sondern bald auch Spuren in der europäischen, vor allem der italienischen Filmindustrie hinterließ. Durchaus passend, waren die Gladiatorenkämpfe des alten Roms doch eines der Vorbilder. Inwieweit auch unsere Realität vom antiken Motto Panem et Circenses – Brot und Spiele geprägt ist, darüber ließe sich ausführlich streiten. Hängt man nicht gerade wilden Verschwörungstheorien nach dürfte klar sein, dass es keine geheimen Mächte gibt, die etwa die Champions League organisieren, um von ihren fragwürdigen wirtschaftlichen Exzessen abzulenken. Wie wichtig aber die Ablenkung durch vor allem den Fußball, aber auch andere Sport- und Kulturereignisse ist, zeigt sich gerade jetzt, in Corona-Zeiten. Es mag zwar nicht von etwaigen Mächten so geplant sein, doch auch unsere demokratischen, kapitalistischen Gesellschaften brauchen Sport, Konsum und lustige Katzenvideos, damit sie funktionieren und die Masse nicht zu viel Zeit damit verbringt, sich über soziale und wirtschaftliche Missstände den Kopf zu zerbrechen. Wie weit wir also wirklich von der dystopischen „Rollerball“-Welt entfernt sind, darf jeder selbst beurteilen.

„Rollerball“ ist gerade bei Capelight Pictures in diversen Ausgaben erschienen.

Rollerball (USA 1975) • Regie: Norman Jewison • Darsteller: James Caan, John Houseman, Maud Adams

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