6. Februar 2020 2 Likes

Auf die schräge Tour

Das Action-RPG „Journey To The Savage Planet“ überzeugt als klamaukiges Planetenpotpourri

Lesezeit: 5 min.

Im Weltraum ist nur das Beste gut genug – oder das Viertbeste! Das muss zumindest für unseren Avatar in Journey To The Savage Planet reichen. Denn die zwielichtige Privatfirma Kindred Aerospace, deren Produktpalette in mehrfacher Hinsicht Fragen aufwirft, zählt eben nicht zu den Topanbietern im Business. Das wird schon im Introvideo deutlich, das wir nach unserer unsanften Landung auf dem geradezu buchhalterisch sehr schlicht benannten Planeten AR-Y 26 automatisch abgespielt bekommen.

Darin erklärt uns der Kindred-Boss „höchstpersönlich“ unseren Job, wobei die auch im Verlauf der Kampagne immer konfuser werdenden Botschaften des fein frisierten Herren keinen Hehl daraus machen, dass wir es hier mit einem komplett verrückten Wirrkopf zu tun haben, in dessen Hände wir uns vielleicht doch besser nicht begeben hätten. Aber zu spät: Schließlich sind wir aufgrund der Beschädigung unseres Raumgleiters nicht mehr in der Lage, den Planeten zu verlassen und können so erstmal ruhig unsere Mission antreten. Die besteht darin, in AR-Y 26 möglicherweise eine zukünftige Heimat für die Menschheit vorzufinden – oder ihn einfach nur als Rohstofflager auszubeuten.

Im Kern ist Journey To The Savage Planet (seit Ende Januar für PS4, Xbox One und PC verfügbar) ein Erkundungsabenteuer mit viel Crafting und Shooter-Einlagen, bei dem schräger Humor und die Suche nach gut versteckten Ressourcen und neuen Wegen im Vordergrund stehen. Aus der Ego-Perspektive laufen, hüpfen, schlagen und schießen wir uns durch eine äußerst farbenprächtige Spielwelt, in der uns kleine knuddelige „Monster“ ebenso begegnen wie fleischfressende Pflanzen, angriffstechnisch aufgemotzte Endgegner oder kleinere Geheimnisse wie verschlossene Areale, in denen sich seltenere Items verbergen.

In den rund 12-14 Spielstunden entwickeln wir unseren Charakter via Skilltrees und raumschiffeigenem 3D-Drucker weiter, wobei die Macher glücklicherweise mehrere Checkpoints und Beamstationen aufgestellt haben, sodass wir nicht für jedes Extra per pedes zurück zum Schiff müssen. Setzt uns aber das Treiben mal außer Gefecht, starten wir als Klon auf unserem Schiff und bekommen die Chance, verlorene Materialien wieder am Ort unseres Todes einzusammeln und damit zu sichern.

Das Gameplay sieht zwar zunächst nicht nur aufgrund unserer kurz nach Ankunft hergestellten Waffe mit Endlosmunition nach einem Shooter aus, entpuppt sich aber viel eher als RPG mit leichtem Shooteraufsatz, da das Gunplay mit eben nur einer Wumme, mauem Trefferfeedback und eher kantiger Bewegungsmechanik nicht auf Augenhöhe mit „echten“ Shootern wie Rage, Doom, Metro und Co. liegt. Das fällt vor allem dann ins Gewicht, wenn man die meist nur auf Variantenzüchtung angelegten Widersacher wie fliegende Tintenfische oder die herzigen (und zunächst eigentlich harmlosen) Pufferbirds in Betracht zieht, die selten Herausforderungen darstellen. Erst spätere Modelle (plus einige dann doch unerwartet happige Gegner zur Bewachung bestimmter Ressourcen) zeigen mehr Aggressivität und Gegenwehr.

Grundsätzlich gilt bezüglich der Shooter-Elemente: Während Standardgegner eher lustiger Natur sind und uns den ein oder anderen Schmunzler entlocken (in der fiesen Version etwa als Futter für fleischfressende Pflanzen), markieren die wenigen, wenn auch schick designten Bosse richtig harte Stolpersteine, da in den Duellen ein Hauch Taktik und wahres Geschick im Umgang mit unserer Ausrüstung gefordert ist. Das ist zwar insgesamt für den Actionpart des Spiels in Ordnung, dennoch wäre da locker mehr drin gewesen – auch beim damit zusammenhängenden Balancing des einzigen Schwierigkeitsgrades.

Ballern ist in Journey To The Savage Planet aber wie angedeutet ohnehin nicht mal das halbe Leben und so entfaltet der Titel sein höchstes Potenzial vielmehr in der gekonnten Aktivierung unseres Entdeckertriebs. Schon nach gut drei Stunden hat man genug Orte entdeckt, die sich zunächst nicht besichtigen lassen, allerdings mit sprengbaren Wänden, automatisch verschließbaren Türen und natürlich dahinter schillernden Items erkennen lassen, dass sich eine Rückkehr mit dann verfügbarer Zusatzausrüstung lohnt. Dieses Karotten-vor-die-Nase-halten-Prinzip Marke Metroid oder Zelda funktioniert auch dank des zusätzlich motivierenden, lange recht einfachen Craftingsystems super.

Dabei geht es vorwiegend darum, von Feinden oder Pflanzen ausgespuckte Materialien für den 3D-Drucker einzusacken, während jedoch bald zwei Notwendigkeiten hinzutreten, die uns das Leben merklich erschweren. Denn für gewisse Craftings sind Forschungsstufen nötig, die wir mithilfe dann doch zunehmend schwieriger Aufgaben wie dem Anlocken und Ausschalten bestimmter Feinde erkämpfen müssen. Und auch die Seltenheit mancher Materialien mag zwar dazu ermutigen, auch wirklich das letzte Eckchen des Planeten zu erforschen; ein bisschen zäh kann das auf der Jagd nach dem letzten Herstellungsslot für die perfekte Ausrüstung aber schon werden.

Etwas unerwartet – wenn auch in der Praxis nicht weiter schwierig –, fällt die Entscheidung der Macher aus, auf eine Übersichtskarte des Gebiets zu verzichten. Wie in alten Tagen, müssen wir also unser Gedächtnis benutzen und können uns nur auf einen Kompass als weiteres Hilfsmittel verlassen. Hat man aber Mehrfachsprünge und Kletterhaken im Repertoire sowie die abwechslungsreiche Natur mit ihren Bergen, Eishöhlen und Gräserlandschaften mehrfach durchquert, fällt das Fehlen einer Map kaum bis gar nicht mehr ins Gewicht – dem souveränen Händchen der Entwickler beim Designen der farbenfrohen, uns immer wieder mit neuen Arealen und deren Hintergründen anlockenden Spielwelt sei Dank.

Unser Abenteuer müssen wir übrigens nicht allein bestreiten. Neben der KI namens Eko, deren zuweilen zynische Kommentare ebenso zum Flair von Journey To The Savage Planet beitragen wie die mit realen Schauspielern besetzten Videos unseres Kindred-Chefs oder zahlreiche im Schiff eingespielte Werbespots (Stichwort Nährschleim oder Puppen aus Fleischresten), besteht die Option, die Kampagne via Onlineverbindung zu zweit anzugehen. Kleiner, wenn auch sehr verschmerzbarer Wermutstropfen: Ein Splitscreenmodus fehlt leider.

Auch nicht weiter schlimm: Technisch mischt der für aktuell unter 30 Euro erhältliche Titel in Sachen Texturen und Details nicht in der Champions League mit, macht das aber u.a. mit bei der Erkundung komplett fehlenden Ladepausen (außer beim Beamen) und dem ansprechend stimmigen Grafikstil mehr als wett. Die Sprachausgaben sind solide, die Steuerung in Ordnung und auch die dezente Sounduntermalung im Verbund mit Effekten wie etwa den quietschfidelen Pufferbirds garantieren eine zum Spielgeschehen gut gelaunte Atmosphäre.

Insgesamt ist dem Team der Typhoon Studios um Ex-Ubisoftler Alex Hutchinson (u.a. beteiligt an Blockbustern wie Far Cry 4) mit ihrem Debüt ein bunter Mix aus typischen Zutaten bekannter Action-RPGs und Action-Adventures gelungen, der sehr viel richtig macht und dessen Mängel den hohen Spaßfaktor kaum trüben. In jüngster Zeit hat beispielsweise The Outer Worlds (hier nochmal unser Test) mit ähnlich schwarzem Humor und in bester Tradition zur Fallout-Reihe erneut bestätigt, dass gute Sci-Fi-Unterhaltung sich eben nicht allzu ernst nehmen muss.

Fazit

Witzig, bunt und mit allem, was ein gutes Action-RPG braucht: Journey To The Savage Planet sollten sich Sci-Fi-Fans mit Freude an durchgeknallten Spielwelten nicht entgehen lassen.

Journey To The Savage Planet • Typhoon Studios/505 Games • Action-RPG • PS4/Xbox One/PC

Abb. © Typhoon Studios/505 Games

 

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.