11. August 2017

Day of Monkey Mansion

Ron Gilberts „Thimbleweed Park“ erscheint endlich auch für PS4 und Switch

Lesezeit: 4 min.

Reiferen Semestern muss man nicht mal alle großen Hits von Gamedesigner-Legende Ron Gilbert hinknallen, um eine volle Ladung Nostalgie abzugreifen. Mit seinen pixeligen Point-and-Click-Adventures Maniac Mansion und dem mehrteiligen The Secret of Monkey Island, prägte Gilberts Werk zusammen mit anderen Hits wie Tim Schafers Day of the Tentacle eine ganze Epoche und machte zahllose Disketten-Wechsler glücklich. Wer über 30 ist und nicht in seiner Jugend mit Block und Stift akribisch an den aberwitzig konstruierten, einfach nur zum Brüllen komischen Rätseln der genannten Adventures saß, kann damals eigentlich kein Gamer gewesen sein. 

Aber bevor wir hier zu sehr in unseren Retrogefühlen versinken, vergessen wir lieber nicht, dass Gilbert mit Titeln wie dem insgesamt auch recht gelungenen The Cave (2013) dafür gesorgt hat, dass das Genre des Point-and-Click-Adventures trotz seiner völlig unzeitgemäßen Elemente nicht komplett von der Bildfläche verschwunden ist. Mit seinem bereits im Frühling diesen Jahres für PC und Xbox One veröffentlichten Thimbleweed Park bestätigte Gilbert dessen Berechtigung auch in jüngster Zeit erneut. Da nun am 22. August eine Veröffentlichung für PS4 und (höchstwahrscheinlich) im September für Switch ansteht, gebietet es unser Respekt vor dem Meister, sein jüngstes Werk an dieser Stelle näher zu würdigen. 

Zunächst die obligatorische Entwarnung für Puristen: Thimbleweed Park könnte von vorn bis hinten klassischer kaum sein. Look, Steuerung und Gameplay gestalten sich quasi wie vor 30 Jahren. Umso konsequenter, dass Gilbert die Story in das Jahr 1987 verlegt und mit Referenzen auf genau diese Epoche nur so um sich wirft. Die Retrotour geht sogar noch munter weiter, da wir mit den beiden FBI-Agenten Angela Ray und Junior-Agent Antonio Reyes, die einen mysteriösen Mord am Fluss des kleinen Städtchens Thimblewood Park untersuchen, gleich mehrere deutliche Verweise auf Serienhits wie Twin Peaks oder Akte X vor den Latz geknallt bekommen. Zwar geht der Vergleich nicht im Detail auf, doch genau hier liegt eine große Stärke des Designs, uns gerne mal auf falsche (Story-)Fährten anzusetzen und mit genüsslich vorgetragenen Wendungen die ein oder andere Erwartung zu unterlaufen. 

So geht es bald nicht allein um die Aufklärung des Mordes, sondern speziell mithilfe einiger zusätzlicher Charaktere um verschiedene Handlungsstränge, die sich über mehrere Zeitebenen erstrecken und dennoch letztlich miteinander korrelieren. Wir übernehmen zunächst abwechselnd einen der beiden Agenten, schlüpfen allerdings später ebenso in die Pixelhaut der angehenden Spielprogrammiererin Delores, die sich auf die Suche nach ihrem vermissten Vater macht, und des soziopathischen Clowns Ransome, den wir in der Vergangenheit vor 1987 bei seinen Bemühungen erleben, einen ihm auferlegten Voodoofluch zu überwinden und sein gähnend leeres Konto aufzufüllen. Der Sprung zwischen den Charakteren erweist sich als gelungenes Element, obwohl die Auswirkungen - etwa im Vergleich zum Jahrhunderte überspringenden Interaktionsspektrum der Rätsel bei Day of the Tentacle - in ihrer Gravität überschaubar bleiben.

Das Gameplay besteht neben längeren Dialogen, bei denen wir aus verschiedenen (humorvollen) Antwortmöglichkeiten auswählen dürfen, hauptsächlich aus mehr oder weniger größeren Knobeleinlagen, die ein gewisses Denken über mehrere Ecken verlangen und gerne für ein paar Lacher sorgen. Richtig schwierig wird die Rätselei nur selten. Gerade dann nicht, wenn man an die Logik solcher Rätsel aus den Klassikern gewohnt ist. Dennoch leicht überforderte Spieler können entweder auf den einfachen Schwierigkeitsgrad wechseln, der nahezu alle Rätsel aus der Story tilgt, oder eben - Stichwort Gegenwart - einfach im Netz nach der Lösung suchen.

Die Steuerung fällt genregemäß simpel undynamisch aus: Wir wählen innerhalb eines Szenarios aus den neun möglichen Befehlen die von uns gewünschte Option aus und müssen meist mehrere gefundene Gegenstände miteinander kombinieren. Echte Puristen freuen sich über das Fehlen eines automatischen Hotspot-Systems, das auf dem Bildschirm alle manipulierbaren Objekte anzeigt. So müssen wir mit unserem Cursor alles manuell absuchen - ganz ehrlich: da wäre ein optionales Ein- oder Ausschalten schon in Ordnung gewesen. Dass wir aber dafür immerhin jederzeit Speichern können, ist hingegen sehr begrüßenswert und erleichtert die manchmal etwas längere Suche nach der korrekten Lösung einer Aufgabe.

Technisch gibt es nichts zu meckern. In seinen vielen durchaus abwechslungsreichen Szenarien, die im grafisch kontemporär schönstmöglichen Pixelstil präsentiert werden, finden wir allerhand kleine Details und Spielereien, die uns ebenso zum Schmunzeln bringen wie die sehr guten (englischen) Sprecher oder die trotz kleinerer Patzer insgesamt gelungene Übersetzung der Texte. Da es in den gut zehn Spielstunden viel zu entdecken und weitere Nebenfiguren wie ein Sheriff und einige geisterhafte Erscheinungen für eine in sich runde Atmosphäre des mysteriös angehauchten Kleinstadtsettings sorgen, dürften sich Point-and-Click-Fans bis zum Abspann gut unterhalten fühlen.

Fazit

Ganz wie in alten Tagen: Ron Gilbert versetzt alle Retrofreunde zurück in die Goldgräber-Ära des PC-Gamings und erteilt allen Jungspunden eine Lehrstunde darüber, womit sich ihre Eltern so die Nächte um die Ohren gehauen haben. Thimbleweed Park atmet durch und durch den Geist oldschooliger Point-and-Click-Rätslerei und verkneift sich fast komplett jede (unnötige) Modernisierung. Zwar zünden die Gags nicht ganz so wie in den großen Originalen und man erinnert sich während des natürlich sehr trägen Gameplays auch wieder daran, dass damals eben beileibe nicht alles besser war.

Doch gerade deshalb passt an dieser Stelle wohl mal wieder ein Fazit, wie man es eigentlich schon lange nicht mehr ohne Scham so formulieren möchte: Fans können ohne Bedenken zugreifen; alle anderen spielen vielleicht erstmal Probe. Die 80er sind schließlich in mehrfacher Hinsicht nicht jedermanns Sache. 

Thimbleweed Park • Terrible Toybox • Point-and-Click-Adventure

Abb. © Terrible Toybox

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