19. August 2022

„Gamedec“: Privatschnüffler in virtuellen Welten

Ein Genremix mit viel Flair

Lesezeit: 3 min.

So eigen modern sich gerade Spielewelten oft geben, so gerne greifen Designer dennoch ebenso auf traditionelles Genrematerial zurück, um ihren Titeln mehr Tiefe zu verleihen. So geschehen wieder einmal beim RPG Gamedec, das bereits seit längerem digital für PC und nun auch für Nintendos Konsole Switch für ca. 30 Euro erhältlich ist und sich am besten als Cyberpunk-Rollenspiel mit klassischen Crime Noir-Elementen plus einem guten Schuss „Metaebene“ beschreiben lässt.

Was in Sachen Gameplay gleich gesagt werden muss: Gamedec kommt vollständig ohne Kämpfe aus und entführt uns dennoch dank seiner vielen, wenn auch sehr leselastigen Texte und Dialoge in eine äußerst stimmige Spielwelt. Die ist im 22. Jahrhundert angesiedelt (genauer: in Warschau) und zeigt eine Gesellschaft, in der sich mittels Durchdigitalisierung fast alle Menschen in virtuellen Räumen aufhalten, sodass die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt kaum noch zu ziehen sind.

In dieser Gemengelage übernehmen wir die Rolle eines sogenannten Gamedecs, also eines Privatdetektives, der im Auftrag Verbrechen in VR-Welten aufklärt. Die unterscheiden sich in ihrer Vielfalt nicht vom echten Leben und wir sind während der reinen Singleplayerkampagne Betrügern, Mördern und anderem Gesindel auf der Spur. Der Clou dabei: Dies findet in ganz unterschiedlichen VR- bzw. Game-Settings statt, sodass der Titel schon an dieser Stelle ordentlich Abwechslung bieten kann, wenn wir beispielsweise im Wilden Westen oder in einer Fantasy unterwegs sind. Besonders gelungen ist dabei die Verschaltung der Realitätsebenen auf Storyebene, da wir herausfinden müssen, wer hinter bestimmten Verbrechen steckt und wie sich diese auf beide Ebenen auswirken.

Im Rahmen der gut 8 Stunden dauernden Kampagne wählen wir einen vorgefertigten Avatar, den wir immerhin ein wenig anpassen dürfen, ehe es schon an den ersten Fall geht. Unsere Arbeit besteht darin, sorgfältig nach Hinweisen zu suchen, Gespräche zu führen und eine Reihe schwieriger Schlussfolgerungen sowie natürlich Entscheidungen zu treffen, die sich merklich auf den Spielfortschritt auswirken.

Obendrauf winken ein paar freispielbare Spezialfähigkeiten, die aber nicht das Salz in der Ermittlersuppe ausmachen. Egal, ob wir uns nun bei der Lösung der Fälle gut oder schlecht anstellen – die Story schreitet stets voran und da die Rätsel nicht unter die Kategorie „nervig bis verquer unlogisch“ fallen, entwickelt sich ein konstanter, sehr angenehmer Spielfluss, der auch von anderen typischen, hier aber eben nicht vorhandenen Nervaspekten wie einer ungenauen Steuerung oder schlechten Menüs gebremst wird.

Neben den verschachtelten Storyebenen, die jedoch sehr gut entfaltet und aufgelöst werden, besticht Gamedec dazu mit seiner zwar düsteren, aber gerade dadurch sehr stimmungsvollen Atmosphäre. Dialoge wie Charaktere verströmen nicht nur aufgrund unverzichtbarer Markenzeichen wie Trenchcoats feinstes Noir-Feeling und die Macher überlassen uns in den jeweils relativ überschaubaren Hub-Welten variable Lösungswege, um RPG-Fans auch den Anreiz zum Mehrfachdurchlauf zu servieren.

Abseits der Story ist allerdings wenig Interaktion geboten. Hier und da lässt sich zwar zum Beispiel Geld verdienen (Stichwort Browserspiel im Spiel) oder man gibt uns sogar mal kurz eine Knarre in die Hand, doch wer wirklich Lust hat, etwas auszuprobieren, schaut leider in die Röhre. Ein Punkt, der auch deshalb fast merkwürdig anmutet, da die Story mit ihrem Metaansatz (Video-)Spiele im Spiel eigentlich genau das auch beim Gameplay aufgreifen sollte.

Technisch hätte die Umsetzung auf Switch vielleicht etwas besser ausfallen können, wobei richtige Bugs oder andere gravierende Technikpannen ausbleiben. Nett sieht das Geschehen aber auch auf der natürlich technisch limitierten Switch aus und die Steuerung klappt sowohl im Fest- wie Mobilmodus tadellos. Leider fällt negativ ins Gewicht, dass es kaum eine (englische) Sprachausgabe gibt und wir folglich sehr viel lesen müssen. Die immerhin enthaltene deutsche Übersetzung überzeugt, wobei das auch über den Soundtrack zu sagen ist, der sich entsprechend der variablen Settings anpasst.

Fazit

RPG-Mix aus Cyberpunk und Crime Noir, bei dem Settings, Figuren und Erzähltechnik begeistern, während Technik, Gameplay und Spielzeit etwas hinter den Möglichkeiten zurückbleiben.

Gamedec • Anshar Studios • RPG • PC/Switch

Abb. © Anshar Publishing

 

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