2. Januar 2022

„Jett: The Far Shore“ – Auf in eine neue Welt

Eine Reise, die man (vielleicht) erlebt haben sollte

Lesezeit: 4 min.

Es ist schon seltsam, auf wie viele Arten uns Spiele packen und in ihren Bann ziehen können. Denke ich an meine Spielzeit mit Jett zurück, ist es vor allem der fantastisch futuristische, extrem sphärische Soundtrack, der mich nicht mehr losließ. Oder das auf ganz eigenen Wegen beschworene Gefühl dieses sehr reduzierten Action-Adventures, uns den Aufbruch einer alten Zivilisation in eine neue Heimat erleben zu lassen. Gerade letzteres unterscheidet Jett, das seit Anfang Oktober digital für PS5, PS4 und PC zum Preis von rund 30 Euro erhältlich ist (wir berichteten bereits), von vielen Genrekollegen. Denn hier betreten wir keine bereits kolonisierte oder sonst wie zivilisierte Welt, sondern stehen mithilfe unserer Protagonistin Mei vor der Herausforderung der komplett Neuerkundung eines Planeten.

Die Hintergründe der Story bleiben dabei ebenso kryptisch wie der Fortgang der Handlung über die gut 12-15 Stunden Spielzeit. Vor dem Hintergrund des Aufbruchs eines Scouttrupps mit Gleitern, zu dem Mei gehört, wird nur angedeutet, dass Meis Volk vor dem Ende ihrer bisherigen Existenz steht und eine Umweltkatastrophe dabei eine Rolle gespielt haben könnte. Gleich zu Beginn verlassen wir unsere Familie und Freunde für immer und damit auch den nomadischen Ursprung dieses offenbar spirituell lebenden Volkes. Nach einem ungemein stimmungsvollen Prolog, der uns die Gravität unseres Aufbruchs deutlich spüren lässt, sind wir – nach einem epischen, über 1000 Jahre dauernden (Tiefschlaf-)Flug – im namensgebenden „Fernen Ufer“ unterwegs.

Hier warten schier unendliche Weiten aus Wasser und Land auf uns, aber auch mythische Wesen und Visionen, deren Geheimnisse wir lüften müssen. Zum Beispiel Proben wollen genommen und natürlich gut analysiert werden, allerdings lässt uns die Story, deren Aufgaben sich meist über Funksprüche vermitteln, wenig Freiraum, sodass trotz der offenen Welt eine insgesamt geradlinige Erfahrung ohne Nebenstränge gewahrt bleibt.

Das Gameplay von Jett teilt sich dabei in zwei unterschiedliche Modi auf. Entweder sind wir mit unserem wendigen Gleiter auf der kargen, aber dennoch vielfältigen Planetenoberfläche unterwegs, scannen Objekte und entkommen aufdringlichen Angreifern (ohne Waffengewalt), oder wir sind in der Ego-Perspektive direkt als Mei damit beschäftigt, kleinere Umgebungen wie unser provisorisches Hauptquartier oder mystische Höhlen zu erkunden und Dialoge mit unseren Mitstreitern zu führen. Herausfordernd ist das nur selten, wobei kleinere Such- und Geschicklichkeitsaufgaben mit unserem Schiff sowie insbesondere die Angriffe der Aliens zeitweise für Adrenalinschübe sorgen können.

Meistens geht es aber betont ruhig zu und wir werden angehalten, uns in den vielen Dialogen eindringlicher mit den Mysterien unserer Erkundung auseinanderzusetzen, die auch davon lebt, dass viele Themen wie Religion, Freundschaft, Träume oder überhaupt die Zukunft unserer Gesellschaft nur angerissen werden und so zum eigenen Nachdenken anregen. Dazu passt der Umstand, dass wir in Jett einer unverständlichen Phantasiesprache lauschen, wobei uns die Macher sehr solide geskriptete Untertitel (englisch/deutsch) spendieren.

Während unser Aktionsrepertoire in den Sequenzen mit Mei extrem reduktionistisch ausfällt und wir quasi nur Dialoge oder Objekte anklicken müssen, verlangt uns die teilweise auf exaktes Timing ausgerichtete Steuerung unseres Gleiters mehr Talent ab. Neben einer Ausweichrolle und der Beschleunigung, sollte man die hinzukommenden Fähigkeiten wie die Anwendung eines Greifhakens beherrschen, um sich nicht bei so mancher Verfolgungs- oder Erkundungssituation ärgern zu müssen.

Leider kommt es speziell in hektischen Situationen nämlich durchaus vor, dass man die Übersicht verliert oder in der Welt hängen bleibt. Hier hätten die Macher definitiv Frustpotenzial herausnehmen sollen, da es einfach nur nervt, wenn man zunächst nicht weiß, wie es weitergeht, nur um dann zigfach an einer viel zu fummeligen Aufgabe oder einer Anhöhe zu scheitern. Dieses Manko hält sich jedoch in Grenzen und so bleibt der positive Gesamteindruck dieses geradezu enigmatischen Spiels ohne Waffengewalt, platte Klischees oder typisches Missionsdesign bestehen.

Technisch gibt es im Grunde ebenso nichts zu meckern, obwohl die äußerst hölzernen Animationen und kaum vorhandenen Grafikdetails selbst für ein Indie-Game viel besser hätten ausfallen können. Dennoch ist Jett, gerade auch aufgrund des Soundtracks, eine wirklich schöne, runde Sache bei der Inszenierung geworden und während unserer Session auf PS4 gab es weder auffällige Bugs noch sonstige Probleme bei der Technik. Auch nicht schlecht: Jedes der fünf Kapitel informiert uns vor dem Start über die ungefähre Länge der Spieldauer. Ein solches Komfortfeature würde man sich ruhig öfter wünschen.

Um es nochmal klar zu sagen: Jett ist selbst im Vergleich zu vielen an dieser Stelle besprochenen Indies anders und könnte bei einigen Spielerinnen und Spielern schnell für gelangweiltes Schulterzucken sorgen, wenn sie sich nicht auf die Stimmung und Mythologie dieses sich langsam entwickelnden Titels einlassen. Das Gameplay pendelt zwischen zweckmäßig banal, manchmal nervig und dann doch wieder genau passend und nur wer dranbleibt, kann sich (zumindest für sich) einen Reim auf die Ereignisse machen. Wer Lust auf ein solches Erlebnis ohne Garantie hat, sollte Jett unbedingt eine Chance geben. Es warten einige wirklich großartige Momente darauf, entdeckt zu werden.

Fazit

Atmosphärisch ein wahres Juwel, spielerisch aber nicht immer prickelnd: Jett: The Far Shore ist in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnliches Action-Adventure, das Raumfahrerträume wahr werden lassen kann.

Jett: The Far Shore • Superbrothers • Action-Adventure • PS5/PS4/PC

Abb. © Superbrothers

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