3. Juli 2021 3 Likes

„Lacuna - Ein Sci-Fi-Noir-Abenteuer“: Zukunftsschnüffler mit Leguan

Ein Indie-Adventure, das sich Noir-Fans nicht entgehen lassen sollten

Lesezeit: 4 min.

Dass schon im Zusatz des Titels formulierungstechnisch alles getan wird, um potenziellen Kunden das gesamte Genrespektrum von Lacuna aufzuzeigen, mag zunächst marktschreierisch wirken. Doch diese Strategie sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier mit einem der spannendsten Indie-Games dieses Frühjahres zu tun haben, das seine wahren Stärken gerade dann an den Tag legt, wenn man sich auf dessen verzweigte Story und deren Entscheidungsstrukturen einlässt.

In nahezu urklassischer Noir-Tradition geht es in Lacuna, das seit Mitte Mai digital für PC verfügbar ist, als Agent Neil Conrad auf Verbrecherjagd in einer dystopisch urbanen Cyberpunk-Welt. Ziel der Ermittlungen ist die Aufklärung u.a. eines Mordes sowie eines Bombenanschlages, der weitere Kreise zieht als zunächst gedacht. Dazu wollen vor allem Zeugen möglichst „richtig“ befragt, Tatorte erkundet und Indizien sinnvoll zusammengefügt sein, um den Fall zu lösen.

Das Saarbrücker Entwicklerstudio DigiTales Interactive baut bei seiner Ermittlerstory packenderweise u.a. darauf, dass wir einmal getroffene Entscheidungen nicht wiederholen bzw. nicht mittels Speicherfunktion kurzum anders treffen können, um mehrere Lösungen auszuprobieren. Das heißt nichts anderes, als dass man sich für Lacuna, das folglich mehrere Abzweigungen und Endingvarianten zu bieten hat, gerne zusätzliche Durchläufe vornehmen sollte, um in den Genuss der ganzen Bandbreite des Titels zu gelangen.

Nach einem kurzen Prolog geht es in der gut 5-stündigen Story gleich mit Neil Conrad los. Den Agenten im stilechten Anzug plus Trenchcoat (Kippen inklusive) steuern wir in den meist knapp abgesteckten Arealen, die wir mehrfach besuchen, in alle Richtungen, wobei Sprünge oder ähnliche Actioneinlagen außen vor bleiben. Die urbanen Gebiete sind mittels simpler Treppenverbindungen wie Plattformen in einem 2D-Spiel alter Pixelschule verbunden und verströmen im Verbund mit der stimmungsvoll jazzigen, sich der Situation anpassenden Musik herrliches Noir-Crime-Feeling.

Das ist vielleicht auch schon die größte Stärke von Lacuna, denn obwohl der Pixellook so grob ist, dass wir beispielsweise keine Gesichter erkennen und es in den Gebieten kaum etwas außer Stores für Online-News und Zigaretten gibt, zieht uns die hervorragend geschriebene Geschichte schnell in ihren Bann. Das liegt, in der deutschen wie englischen Sprachvariante, vor allem am herausragenden Erzähler aka der Stimme von Neil Conrad (auf Deutsch gesprochen von Tom Vogt, u.a. bekannt als Synchronstimme von Hollywoodstars wie Clive Owen, Colin Firth oder Laurence Fishburne), obwohl es außerhalb bestimmter Skriptsequencen keine gesprochen Dialoge gibt. Die meiste Zeit lesen wir also die dennoch stilistisch optimal zum Genre passenden Texte und erfreuen uns an den punktuell gesetzten Einlagen des dann vertonten Hauptcharakters.

Das Gameplay beschränkt sich dabei darauf, streng nach Vorgabe der Story von einem Schauplatz zum nächsten zu flitzen bzw. die schnell erreichbare Bahn dorthin zu nehmen und vor Ort nach Hinweisen, Gesprächspartnern und Spuren zu suchen. In diesem Kontext müssen wir häufig in einen Detektivmodus umschalten, um Spuren näher zu untersuchen und Informationen in unser Inventar aufzunehmen. Um entscheidend in der Handlung voranzukommen, gilt es komplexere Zusammenhänge wie ein Puzzle zusammenzufügen und eine Akte abzuschließen. Dabei können wir auch falsch liegen, was etwa dazu führt, dass sich unser Fall anders entwickelt, und wir uns plötzlich unschönen Konsequenzen gegenübersehen. Und dann wären da noch Dialoge unter Zeitdruck, in denen auch die möglichst schnell die für uns richtige Wahl getroffen werden will - moralische Dilemmata inbegriffen. 

Leider holt Lacuna hier spielerisch nicht alles aus dem Adventure-Part heraus, sodass der Schwerpunkt aufgrund der überschaubaren Detektivarbeiten fast schon zu sehr auf Story und Setting liegt. Letzteres hätte trotz der technisch geringen Grafikpracht und der ja eigentlich sehr guten Atmosphäre mit vorbeifliegenden Luftautos und dem ständigen Kontrast zwischen monochromen Hochhauskomplexen und bunter Restaurantmeile auch verdient gehabt, uns ein wenig mehr Anreiz zum Herumstöbern zu liefern. Zwar gibt es bei genauerer Betrachtung der Gebiete ein paar Zusatzdialoge und teilweise Aufgaben, die sich auf den Plotverlauf auswirken können. Richtig viel ist aber abseits der Story eben nicht geboten – schade.

Hält man die erzählerische Qualität des Titels aber in Ehren, darf man sich über eine spannende Geschichte freuen, in der zahlreiche Motive wie die Unterdrückung verschiedener Planetenvölker, der Kampf gegen eine terroristische Vereinigung oder die Spaltung einer Gesellschaft in arme und reiche Schichten eine bedeutende Rolle spielen. Dazu gibt die Figur des Neil Conrad beruflich wie privat einiges her, um sich ihr verbunden zu fühlen, und verkörpert somit wunderbar den Prototyp eines zerrissenen, etwas abgehalfterten Ermittlers (mit Haustierleguan), dessen Spürsinn allerdings noch nicht verloren gegangen ist.

Wer also Lust auf eine Noir-Story mit leichtem Sci-Fi-Setting, ansprechenden Figuren und einer flotten, gerne auch mehrfach durchspielbaren Verschwörungsstory hat und der charmanten Pixelinszenierung nicht abgeneigt ist, sollte die aktuell rund 15-16 Euro für den digitalen Erwerb von Lacuna unbedingt ausgeben.

Fazit

Fesselndes, sehr gut geschriebenes Noir-Adventure zwischen klassischer Detektiv- und Sci-Fi-Story, das nur in Sachen Erkundung und Gameplay etwas unter seinen Möglichkeiten bleibt

Lacuna – Ein Sci-Fi-Noir-Abenteuer • DigiTales Interactive • Adventure • PC

Abb. © Assemble Entertainment

 

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