Revival geglückt
Capcom gelingt mit „Mega Man 11“ ein klassisch-frischer Action-Plattformer
Als Fan von Mega Man muss man Capcom ein echtes Danke aussprechen. Denn pünktlich zum 30-jährigen Jubiläum der schon zu seligen NES- und Game Boy-Zeiten sehr präsenten und über die Jahre mit zig Ablegern bei Freunden knackiger Action-Jump´n´Run-Kost ungemein beliebten Reihe, haute der Publisher neben einer schön gemachten Edition aller Episoden des Spin-offs Mega Man X (hier unser damaliger Review) nun auch Anfang diesen Monats für PS4, Xbox One, PC und Switch einen brandneuen Ableger der Hauptreihe rund um den schuss- wie sprunggewaltigen Androiden raus.
Der zeigt sich als mustergültige Blaupause für feinen Fanservice, denn Capcom gelingt es, einerseits alle Elemente früherer Tage im Spiel zu halten, Teil 11 aber dank eines modernen, bis auf wenige Ausnahmen sehr schicken Anstrichs nicht zur reinen und damit möglicherweise etwas altbackenen Retroshow verkommen zu lassen wie noch die letzten beiden Ableger mit ihrer Pixelgrafik. Wie gewohnt fängt alles an mit dem ewigen Streit zwischen Mega Mans Schöpfer Dr. Light und seinem alten Freund Dr. Wily, in dem es um unterschiedliche Positionen hinsichtlich des Zusammenlebens zwischen Menschen und Roboter geht.
Während Dr. Light für eine Kooperation auf Augenhöhe plädiert und dies mit seiner Forschung – also Mega Man selbst – dokumentiert, strebt Wily nach einer Welt voller Robosklaven – und der Herrschaft über diese gleich mit. Daher stibitzt er wie schon so häufig zuvor eine Reihe eigentlich friedlicher Androiden und formt aus ihnen eine schlagkräftige Armee, der natürlich nur Mega Man mitsamt ein wenig Unterstützung (vor allem von seinem multifunktionalen Robohund Rush) Einhalt gebieten kann. Wie schon vor 30 Jahren sollte man die selbst für ein Action-Jump´n´Run im Comic-Look unglaublich naive und fast ausschließlich mit völlig banalen Phrasen durchgedroschene Story am besten gar nicht beachten. Der Titel belässt es aber mit nur wenigen nett vertonten Zwischensequenzen und besinnt sich lieber auf bekannte Gameplay-Stärken.
Davon hat er auch genug zu bieten, obwohl die Spielzeit von ungefähr 3 Stunden bis zum Abspann selbst im Verhältnis zur Reihe eher im unteren Bereich angesiedelt ist. Diese Angabe muss jedoch mit Vorsicht genossen werden, denn wer sich schon im zweiten von vier Schwierigkeitsgraden an die zunächst acht frei auswählbaren Stages wagt, braucht neben flinken Reflexen und einer guten Koordinationsfähigkeit vor allem Nerven wie Drahtseile, um das Gamepad nicht mehrmals gegen die nächststehende Wand zu pfeffern.
Fans alter Schule freuen sich also auch über diese bewährte Hauptzutat, nämlich den insgesamt hohen Schwierigkeitsgrad. Gerade die sich oft über mehrere Bildschirmabschnitte ziehenden Sprungpassagen mit ihren vielen Abgründen, uns verfolgenden Fallen und bei der ersten Berührung todbringenden Stacheln können ungeübte Spieler in den Wahnsinn treiben; zumal Capcom nur auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad – neben vielen anderen „Leichtmachern“, die das Geschehen tatsächlich für fast jedermann genießbar machen – unendliche Leben anbietet.
Wer sich also für einen der Grade entschieden hat, bekommt es je nach gewählter Reihenfolge mit acht Robokämpfern zu tun, die mit ihren ganz eigenen Waffen und Angriffsmustern attackieren. Diesmal finden sich Namen wie Blast Man, Fuse Man, Torch Man, Tundra Man oder Bounce Man im Portfolio, die am Ende von thematisch auf sie zugeschnittenen Stages warten. Besiegt man die Bosse, erhält man ihre Waffen, um sie fortan selbst einzusetzen; allerdings nur, solange der Energiebalken dafür reicht oder man diesen – wie auch die eigene Lebensanzeige, mit aufgesammelten Items oder bei Dr. Light eingetauschten Extras – wieder auffrischt. Hat man diesen ersten Gesamtabschnitt komplett absolviert, warten noch vier weitere Level in Dr. Wilys wie immer herrlich überdrehter Festung, wobei sich der Oberschurke mit gewohnt irrwitzigen Konstruktionen natürlich auch selbst die Ehre gibt.
Die Spielmechanik verläuft über die gesamte Spielzeit ganz klassisch und verzichtet sogar im Gegensatz zu einigen früheren Ablegern auf jegliche 3D-Spiränzchen oder wirkliche Neuerungen. Mit unserem Robofreund schießen, springen und rutschen wir durch die meist von links nach rechts ablaufenden Areale und wechseln von einem in sich abgeschlossenen Raum in den nächsten. Jedes Areal wartet mit eigenen Hürden in Form von mehreren Gegnern, Plattformen, Fallen und damit verbundenen Hüpfpassagen auf, die sich ohne genaues Timing schnell auf die Anzahl unserer Leben auswirken. Tode versetzen uns an mehrere verteilte Rücksetzpunkte, wobei eine zuvor von einem Endboss erworbene Waffe ebenso beim nächsten wie schon innerhalb der Areale Vorteile bringen kann.
Die Macher spendieren diesmal viele neue Zusatz-Features, von denen ein Standard herausragt: dank eines Upgrades namens Double Gear, ist es nun mittels sich selbst automatisch immer wieder aufgeladener Anzeige möglich, entweder einen Zeitlupenmodus zu aktivieren, der alles um uns herum temporär verlangsamt oder unseren Blaster zeitweise zu verstärken. Droht unserem Blaumann der nächste Tod, kann er sogar beide Fähigkeiten gleichzeitig zu einem letzten Aufbäumen nutzen. Sehr praktisch, zumal sich beide Skills in vielen direkt darauf zugeschnittenen Situationen sinnvoll einfügen, uns aber nie zu übermächtig werden lassen.
Mit Blick auf das Gesamterlebnis dürften folgende Aspekte speziell bei alteingesessenen Fans auf Zustimmung stoßen: Da wär zum einen das durchwegs gelungene Retroflair, das sich beispielsweise bei den leicht variierten Soundtracks früherer Tage, vielen bekannten Gegnertypen oder eben am Design der zwar nach fast endlos vielen Vorgängern nicht mehr unbedingt originellen, aber wieder einmal sehr markanten Bosse deutlich bemerkbar macht. Wie die Areale selbst, sind die Bosse selten bis nie unfair. Mit etwas Geduld, dem richtigen Auskucken und einem anschließenden Antizipieren der Situationen (oder eben der passenden Waffe) sind sie alle zu meistern.
Unterfordert dürfte sich daher wie gesagt keiner fühlen. Man darf aber zumindest bei einigen wenigen unnötig nervigen Passagen – von denen sich etwa in der mit trampolinartigen Luftballons übersäten Stage von Bounce Man mehrere finden – schon fragen, ob es diese wirklich gebraucht hätte. Wenn man zum x-ten Mal eine verkettete Sprungkombination nicht schafft und wieder von ganz unten beginnen muss, werden die Nerven selbst auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad arg strapaziert. Unnötig. In diesem Zusammenhang verdienen aber die in jeder Stage verteilten Zwischenbosse ein Extralob. Die sind zwar auch knüppelhart, aber sehr abwechslungsreich gestaltet und dank gutem Balancing ein weiterer Beleg für ausgewogene Härte.
Herausragend fallen darüber hinaus die thematisch sehr gut angepassten Stages aus. Der Blast Man-Level wartet beispielsweise mittels vieler Explosionen mit dem Flair einer klassischen Actionfilm-Kulisse auf, während Torch Man sich in einem Wald verschanzt hat, der Indianertipis oder alles verschlingende Feuerwalzen zu bieten hat. Zwar überzeugen einige etwas zu sterile Hintergründe nicht, aber auch dieses Manko hält sich stark in Grenzen. Es überwiegt deutlich der Eindruck einer sauberen, sehr flüssigen und grafisch farbenfroh präsentierten Technik, die speziell bei den Animationen der meist putzigen Gegner zum Tragen kommt. Kleine Tunichtgute wie unter anderem herumwandelnde Giftspritzen und Minibergarbeiter mit wurfbereiten Spitzhacken möchte man trotz ihrer teils fiesen Angriffe eigentlich gar nicht pulverisieren.
Fazit
So gut das Jahr für Fans des blauen Action-Helden begonnen hat – es findet mit Teil 11 der offiziellen Mega Man-Reihe für PS4, Xbox One, PC und Switch einen sehr adäquaten Höhepunkt. Zwar fehlt es dem Plattformer bis auf das Double Gear-System an jeglicher Innovation, doch der Titel perfektioniert die von Fans geschätzten Stärken früherer Tage und hübscht diese mithilfe guter Technik und stimmigem Design mehr als solide auf.
Zwar dürfte es Mega Man 11 bei Spielern der heutigen Generation eher schwer haben, aber wer ein Faible für diesen großen Klassiker der Action- und Jump´n´Run-Schule hat, kann trotz (oder gerade aufgrund des wieder sehr fordernden Schwierigkeitsgrades) bedenkenlos zugreifen.
Mega Man 11 • Capcom • Action-Plattformer
Abb. © Capcom
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