12. November 2015 1 Likes 1

Schicksal mal anders

Die turbulente Entwicklungsgeschichte des ambitionierten Blockbuster-Games „Destiny“

Lesezeit: 4 min.

Es ist heute leider alles andere als ungewöhnlich, wenn ein Videospiel im Laufe der Werbekampagne vor seiner Veröffentlichung in Trailern und Studioreportagen allerlei hochtrabende und fantastisch anmutende Versprechungen macht, um sich dann schließlich als mehr schlecht als recht zusammengeschusterter, bis zur Unspielbarkeit verbuggter und inhaltlich durchschnittlich bis enttäuschender Datenbatzen zu entpuppen, der vielleicht den Geldbeutel des Käufers, aber wohl kaum einen Spieler beeindrucken würde. Als ungewöhnlich kann man allerdings den Fall des Science-Fiction-Shooters Destiny bezeichnen, der ausführlich und mit zahlreichen Details angekündigt wurde, um dann als ein technisch durchaus gut gemachtes, inhaltlich jedoch komplett anderes Spiel zu erscheinen. Immerhin das Genre war dasselbe geblieben.

Aber der Reihe nach – was ist eigentlich Destiny? Seit 2010 arbeiteten die Entwickler der Studios Bungie, vor allem bekannt für ihre erfolgreiche Spielereihe Halo, und Activision an einem neuen MMOFPS (Massively Multiplayer Online Fist-Person Shooter), welcher in einem riesigen, detailreichen Science Fiction-Universum spielen sollte und sich – wäre es nach den Vorstellungen der Entwickler gegangen – mit Genres wie Star Wars oder Herr der Ringe auf eine Stufe hätte stellen können.

Destiny
Bild © 2015 Bungie, Inc.

Destiny handelt von einer weit entfernten, postapokalyptischen Zukunft im Jahre 2700, in der sich die Verbliebenen der Menschheit vor der Bedrohung einer außerirdischen Spezies in ihre „letzte Stadt“ zurückziehen, welche von einer gewaltigen, von einem anderen außerirdischen Volk gebauten Sphäre geschützt wird. In diesem Sinne beschränkt sich die Handlung auf verschiedene Orte in unserem eigenen Sonnensystem, etwa auf der Erde, dem Mond, dem Mars oder auch auf der Venus. Das Spielprinzip des  im September 2014 ausschließlich für Xbox und Playstation erschienenen Titels basiert auf einem kooperativen Multiplayer in einem Open-World-Szenario, jedoch ist es dem Spieler theoretisch auch möglich, Destiny im Alleingang zu bestreiten – eine Internetverbindung ist zum Spielen so oder so notwendig.

Bereits Anfang 2013 traten die Entwickler mit ihrem noch im Entwicklungsstadium befindlichen Projekt an die Öffentlichkeit und kündigten den ersten „shared-world shooter“ an, ein Spiel also, welches sich auf einer oder ein paar wenigen großen Karten abspielt, in welchen es gleichsam sichere Zonen für soziale Interaktion und dergleichen wie auch Kampfgebiete gibt. Seitdem bewarb Bungie Destiny mit aufwändigen Trailern und versprach ein aktiongeladenes Science Fiction-Spektakel mit einer tiefgründigen und reichhaltigen Story mit interessanten Charakteren und großen Abenteuern.

Destiny
Bild © 2015 Bungie, Inc.

So weit, so gut. Das Spiel befand sich in fortschreitender Entwicklung, der rote Faden der Geschichte stand – und mißfiel den Studioleitern: Zu gekünstelt, zu linear war ihnen das, was die Drehbuchautoren um Chefautor Joe Staten vorlegten. Die Folge: Das gesamte Projekt wurde kurz vor seiner Fertigstellung vollkommen neu aufgekrempelt und die Story wurde komplett umgebaut und überarbeitet – mit dem Ergebnis, dass den Spielern am Ende zwar ein fulminantes Effektspektakel in wirklich sehenswerten, fantastischen Umgebungen und guter Atmosphäre geliefert wurde, dies jedoch inhaltlich nur noch ansatzweise etwas mit der ursprünglich angekündigten Geschichte zu tun hatte.

Die Storyline: vage angedeutet bis nicht wirklich vorhanden.

Die Hintergrundgeschichte: blieb leider irgendwo am Wegesrand liegen.

Die Dialoge: einfallslos bis hin zur Lächerlichkeit.

Einzelne Geschichtssegmente und Charaktere, die ursprünglich eine wichtigere Rolle spielen sollten, wurden scheinbar willkürlich umverteilt, die Science-Fiction-Geschichte des Spiels, die angetreten war, sich mit Star Wars messen zu können, schrumpfte zur Belanglosigkeit zusammen, und das Spiel wurde im Prinzip zu wenig mehr als einem guten, aber kaum innovativen Shooter vor schönen Kulissen.

Positiv fallen dabei lediglich der ausgezeichnete Soundtrack und das Multiplayersystem, beide mit dem Games Award 2014 ausgezeichnet, sowie das abwechslungsreiche und ausgesprochen gut gemachte Kartendesign auf. Auch die nachgereichten kostenpflichtigen DLCs, die bereits im Hauptspiel enthaltene Inhalte freischalteten, trugen nur wenig zur Aufwertung der Geschichte bei.

Verbesserungsvorschläge der Fans wurden zwar wahrgenommen, aber kaum übernommen. In seinem lesenswerten Artikel im Onlinemagazin KOTAKU zitiert Jason Schreier in diesem Zusammenhang einer interne Quelle bei Bungie, die das größte Problem  der Entwickler treffend auf den Punkt bringt: „Bungie is ravenously appreciative of the people that play their games, and they listen, they listen so clearly. But because the tools are shit, and because no one can reach consensus on how to fix the game in the time that’s allotted, you get a lot of sort of paralysis.“

Destiny
Bild © 2015 Bungie, Inc.

Zusammenfassend reiht sich Destiny zu jenen Titeln ein, bei denen sich der mehr oder weniger enttäuschte Fan nicht sicher sein kann, worüber man sich am meisten ärgern sollte: das für das Spiel ausgegebene Geld oder das verschenkte Potenzial. Denn Potenzial hatte Destiny mit Sicherheit. Es hätte ein großartiges Science-Fiction-Epos in einem atemberaubenden Spieleuniversum werden können. Aber ohne interessante Charaktere und ohne eine Geschichte, die im Spiel auch eine Rolle spielt, war dieses Ziel nicht zu erreichen.

Die Quereleien unter den Entwicklern machten das ehrgeizige Vorhaben von Destiny zunichte, und so blieb der Titel bedauerlicherweise hinter den hohen Erwartungen zurück. Dennoch wäre es unfair, Destiny als Flop zu bezeichnen, denn dies würde dem hohen technischen Niveau und der künstlerischen Arbeit, die in seiner Spielewelt steckt, nicht gerecht werden.

So bleibt nur die Hoffnung, dass es den Entwicklern gelingen mag, das Spiel so weit nachzubearbeiten, dass Destiny ein, nun ja, Schicksal des langsamen Abgleitens in die ewigen Jagdgründe der gescheiterten Titel erspart bleibt. Denn das wäre angesichts des immensen Verkaufsstartes, der bereits am ersten Tag die kompletten Entwicklungskostenkosten von circa 500 Millionen Dollar einbrachte, für die Entwickler mehr als nur peinlich.

Titelbild © 2015 Bungie, Inc.

Kommentare

Bild des Benutzers Simon Becka

Wird Destiny (oder Halo oder was auch immer) wirklich wegen der Story gespielt? Geht es nicht doch eher darum, mit (Online-) Freunden ballernd ein Level/Raid zu bewältigen, möglicht viel Beute zu machen, aufzuleveln, skills zu verbessern etc.? Wichtig ist die Fantasie, die in den Aufgaben steckt, die die Spieler zu bewältigen haben. Und das es funktioniert, also die Technik läuft!! Zu viel Story stört eher, da sie den Spielfluss unterbricht.

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