19. April 2020 1 Likes

Zweidimensionale Sci-Fi-Hölle in dreidimensionalem Spielspaß

„Doom 64“: Der vergessene Klassiker

Lesezeit: 4 min.

Id Software steuerte einen Beitrag zum Untergang der Welt mit dem grandiosen „DOOM Eternal“ kürzlich bei. Dabei geht jedoch ein weiterer, für viele unbekannter „Doom“-Klassiker eventuell verloren, der am selben Tag veröffentlicht wurde, und ursprünglich nur für Vorbesteller von „Eternals“ gedacht war: „Doom 64“, ein Remaster für PC, PS4, XBox One und die Nintendo Switch, das urprünglich für den Nintendo 64 erschien. Dabei war „Doom 64“ gerade in Deutschland ein Novum, und landete hier als einziger und bis dato erster „Doom“-Titel nicht auf dem Index. Durch die 18er-Freigabe hatte es der Titel 1997 vermutlich schwer auf der besonders kinderfreundlichen Heimkonsole Nintendos und war hier ein schwer aufzutreibendes Gut. Im Gegensatz zu damals erschienenen Ports von Id-Soft-Games wie „Quake“, „Quake 2“ oder gar „Hexen“, war „Doom 64“ jedoch keine bloße Umsetzung der PC-Varianten, sondern ein völlig neues Game. Quasi das echte „Doom 3“. Ein Umstand, der vielen Interessenten, inklusive vieler Personen in meinem eigenen Umfeld, viele Jahre schlichtweg verborgen blieb.

„Doom 64“ setzt kurze Zeit nach „Doom II“ ein und schickt den Doom Guy erneut zum Mars, wo der scheinbar letzte überlebende Dämon, der Mother Demon, vernichtet werden muss, nachdem bereits die Invasion der Erde im Zweitling vereitelt wurde. Spielerisch setzt „Doom 64“ auf die gleichen Stärken wie die Vorgänger und schickt natürlich den Spieler per Egoperspektive ins Getümmel, während die Level aus dreidimensionalen Polygonmodellen entstanden und die Gegner vorgerenderte Sprites sind, salopp gesagt: zweidimensionale Bildchen. Daher entsteht der charmant-seltsame Eindruck von „flachen“ Gegner beim Spielen. Die Engine ist eine weiterentwickelte „Doom II“-Engine, die jedoch erstmals erlaubte, Level und Abschnitte direkt übereinander zu setzen, wodurch auch hier eine deutlichere Vertikalität im Design entsteht, im Gegensatz zu den Vorgängern, die beinahe alle auf einer gefühlten Ebene spielten. Dies äußert sich auch im Gameplay. Gezielt wird zwar stets auf einer horizontalen Ebene, man kann also nur nach links und rechts zielen, anders als es viele von modernen Shootern gewöhnt sind, jedoch werden Schüsse automatisch in Richtung höher gelegener Gegner gelenkt, wenn sich Dämonen auf anderen Ebenen in der Ferne befinden.


„Doom 64 steckt die Spieler häufig in dunkle, atmosphärisch beleuchtete Gänge.“

„Doom 64“ setzt ebenso auf den – für damalige Verhältnisse – schnellen Spielstil. Wenn die Levels anfänglich noch spärlich besetzt sind von Gegnern, wimmeln die späteren Gänge, Burgbauten oder Höllendimensionen nur so vor geifernden, serientypischen Ungetümen. Lebensenergie wird lediglich über Medipacks beigesteuert, die mal offen, mal versteckt herumliegen, ebenso wie Rüstung und zusätzliche Munition. 10 Waffen verstecken sich im Spiel: Neben Serienveteranen wie dem Plasmagewehr, der Minigun oder der BFG findet sich auch die ebenfalls in „DOOM Eternal“ platzierte Laser-Superwaffe, der Unmaker, vor. Das Leveldesign setzt auf viel Atmosphäre, enge, beleuchtete Gänge, hier und dort viel Dunkelheit, unterbrochen von roten, grünen oder blauen Lasern und verwinkelten Labyrinthen. Die Abschnitte sind nie zu groß, um sich wirklich zu verirren, dennoch wird es dem einen oder anderen zunächst aber schwer fallen, herauszufinden, wo es als nächstes hingeht.


„Obwohl man nicht nach unten zielen kann, schießen Waffen automatisch auf anders geebnete Gegner.“

Und hier offenbart sich die Crux des „Doom 64“-Remasters: Das altbackene Fortschrittssystem mit einer schier unmenschlichen Anzahl an Schaltern, Keycards in diversen Farben und gelegentlicher Willkür, kann den modernen Spieler, der gerne direkt von A nach B geleitet wird, zur Verzweiflung bringen. Es gilt in jedem Level mindestens eine von vielen Keycards zu finden, um voranzuschreiten. Dabei müssen aber Schalter umgelegt werden, bei denen man häufig zunächst nicht einmal weiß, welchen Zweck sie erfüllt haben. Ein einsames Klick- oder Einrastgeräusch in der Ferne bedeutet nach Schalterbetätigung für den Spieler häufig erneute, ratlose Suche nach dem weiteren Fortgang. Und wenn dann so mancher Schalter nach kurzer Zeit auch noch wieder auf „unbetätigt“ wechselt, muss man im kurzen Zeitfenster schnell herausfinden, was die Betätigung mit sich brachte. Dabei auftauchende neue Gegner helfen aber oft, die Richtung einzugrenzen. Dabei sind die insgesamt 34 Level – von denen einige auch geheime und sogenannte Fun-Level sind – jedoch in kürzester Zeit zu meistern, in meist zwischen 10 und 40 Minuten pro Abschnitt. Dabei kommt letztlich dann aber doch eine stattliche Spielzeit von 10 Stunden zusammen. Wer dann noch nach den zahllosen, hartnäckigst versteckten Secrets und Leveln suchen will, kann etliche Stunden draufsetzen. Um den eigenen Fortschritt zu speichern, kann man auf das altbewährte N64-interne Passwort-System setzen oder die neu eingeführten Speicherstände und Quicksaves, die es einem erlauben, jederzeit sofort zu speichern.


„Kaum zu glauben, dass es nicht auf dem Index landete, während damals sogar Jackie-Chan-Filme im TV geschnitten wurden.“

Besitzer der Nintendo Switch dürfen sich bis zur portablen Veröffentlichung „DOOM Eternals“ mit einem läppisch günstigen „Doom 64“ die Zeit wunderbar totschlagen, für gerade mal €4,99. Dabei ist der Titel aber auch eine gute Alternative für alle Gamer, die sich „Eternal“ noch nicht leisten können oder wollen. Alle anderen Doom-Fans sollten sich den vergessenen Klassiker ebenso zu Gemüte führen, der für nun wirklich jeden schlappen Geldbeutel zu haben ist, müssen sich jedoch auf Missionsfortschritt und Leveldesign der alten Schule einlassen, der heutzutage nicht mehr leicht zu verdauen ist. Nach kürzester Zeit sollte es aber bei jedem Klick machen und der Spielspaß einsetzen, den einem nur DOOM geben kann.

Doom 64 • Midway Games/Nightdive Studios/id Software • Shooter • PC/PS4/Xbox One/Nintendo Switch

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