30. Mai 2023

„White Wall“ – Nordische Science-Fiction

Ein sehr langsamer finnisch-schwedischer Achtteiler mit interessanten Ansätzen

Lesezeit: 3 min.

Ein Film oder eine Serie haben einen Anfang, eine Mitte und ein Ende, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, wie Jean-Luc Godrad einmal sagte, aber das ist ein anderes Thema. Man beginnt also in der Regel mit bestimmten Erwartungen einen zwei Stunden langen Film, oder wie im Fall der finnisch-schwedischen Serie „White Wall“, einen Achtteiler, zu sehen. Der Schauplatz wird etabliert, Figuren vorgestellt, Rätsel angedeutet, Rätsel, die dann zum Ende der Serie aufgeklärt werden. Oder auch nicht.

Im fiktiven schwedischen Ort Norrlund beginnt die Serie, gedreht wurde in der finnischen Mine Pyhäsalmi, ein unwirklicher, eisiger Ort, der das Geschehen erdet. Ein riesiges Endlager für Atommüll wird in der Mine im hohen Norden errichtet, doch kurz vor der Eröffnung erschüttert eine Explosion die Mine. Der Standortleiter Lars (Aksel Hennie) steht vor einem Rätsel und beginnt mit zunehmender Obsession zu ermitteln.

Unterschiedliche Spuren gibt es, Umweltaktivisten, die gegen das Endlager protestieren, stehen unter Verdacht, auch die Betreiberfirma der Mine verhält sich mehr als verdächtig und dann entdeckt Lars in den Tiefen der Mine eine weiße Oberfläche. Nach und nach wird deutlich, dass es sich um einen riesigen weißen Körper handelt, der sich in den Tiefen des Gesteins befindet. Woher, wie lange, zu welchem Zweck, ob menschlichem oder außerirdischem Ursprungs sind die Fragen, die sich im Laufe der acht Folgen auftun.

Viel Zeit hat der Zuschauer, sofern er bei der Stange bleibt, sich Gedanken zu machen, denn „White Wall“ hat sich einem mehr als langsamen Erzähltempo verschrieben. Man hat sich in den letzten Jahren ja etwas daran gewöhnt, dass Streamer Serien oft unnötig aufblähen, auch um die Anzahl der geschauten Minuten zu erhöhen, der wichtigste Maßstab für das Messen eines Streamingerfolges. Die Langsamkeit von „White Wall“ funktioniert jedoch anders: Fast hat es den Anschein, als hätten die Regisseure Aleksi Salmenperä und Anna Zackrisson die Absicht gehabt, möglichst undramatisch zu inszenieren. Weniger auf äußere Ereignisse zielen sie ab, als auf Inneres, wobei das Innere der Figuren dann auch wieder nordisch unterkühlt und enigmatisch bleibt.

Was die Figuren antreibt wird kaum mehr als angedeutet, am ehesten mag man sich an Lars festhalten, der à la Richard Dreyfuss in „Unheimliche Begegnung der Dritten Art“ nicht von seiner Obsession lassen kann. Auch wenn ihm von seinen Vorgesetzten unmissverständlich gesagt wird, nicht weiter zu ermitteln: Die weiße Wand zieht ihn auf magische Weise an, sie lässt ihn nicht los, sie muss ihre Antworten enthüllen.

Doch auch nach acht Folgen bleibt eine klare Antwort aus, im Gegenteil: Am Ende dieses Achtteilers sind mehr Fragen offen, als Antworten gegeben, eine mysteriöse Verbindung zum Mars deutet zumindest eine außerirdische Verbindung an. Vielleicht hilft es zu wissen, dass eine zweite Staffel in Arbeit ist, die die Geschichte vielleicht zu einem Ende bringen wird. So bleibt „White Wall“ ein zwar interessanter, aber auch etwas unbefriedigender Achtteiler, der mit spannenden Ansätzen spielt, sich aber etwas zu sehr auf Andeutungen beschränkt. Eine Geschichte, die einen Anfang hat, auch eine Mitte, aber nicht wirklich ein Ende, mag sich auf dem Papier ambitioniert anhören, aber in der Umsetzung fehlt etwas.

White Wall • Finnland/Schweden 2020 • 8 Folgen á 45 Minuten • jetzt in der Arte Mediathek

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