Außerirdischer Liebeskummer
In seiner Kurzgeschichte „Ungerade“ schildert Iain Banks die Liebesqualen eines Pflanzen-Aliens
Als Iain Banks (im Shop) 2013 im Alter von nur 59 Jahren starb, verlor die Science-Fiction einen ihrer besten zeitgenössischen Autoren. Seine SF-Romane aus dem denkwürdigen utopischen „Kultur“-Universum sicherten dem Schotten ebenso früh einen Platz in Pantheon der Genre-Größen wie sein fiebriger Psycho-Thriller „Die Wespenfabrik“, den man wenigstens einmal im Leben gelesen haben sollte. Wie beliebt Mr. Banks speziell in Deutschland war, zeigt unter anderem die Tatsache, dass er zwischen 1991 und 1998 gleich vier Mal den Kurd-Laßwitz-Preis für den besten internationalen Roman gewonnen hat.
Zehn Bücher gehören zu Iain Banks faszinierendem „Kultur“-Zyklus – neun Romane und eine Kurzgeschichtensammlung. Diese heißt passenderweise „Ein Geschenk der Kultur“ und liegt in der Übersetzung von Irene Bonhorst, die für ihre Banks-Übertragungen immerhin selbst zwei Mal mit dem Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichnet wurde, als E-Book bei Heyne vor (im Shop). Neben z. B. der titelgebenden Erzählung über einen in Schwierigkeiten steckenden Kultur-Exilanten gibt es in der abwechslungsreichen Sammlung allerdings auch Storys, die nicht zum Kultur-Universum gehören. Etwa die kleine, feine Science-Fiction-Geschichte „Ungerade“, die ursprünglich 1989 als „Odd Attachement“ in der von Alex Stewart herausgegebenen Anthologie „Arrows of Eros“ abgedruckt war.
Banks witzige Story handelt von Fropome, einem tentakelbewehrten Pflanzen-Alien. Fropome ist Hirte einer Graser-Weide und leidet unter schrecklichem Liebeskummer, da Fropomes Angebetete seine Gefühle und Avancen einfach ignoriert. Banks zeigt auf wenigen Seiten, dass die Liebe eines der – sozusagen – universellen Güter des Universums sein könnte, und nicht nur Menschen zu Trauerklopsen und Idioten macht: Fropome isst und schläft nicht mehr, seine Blätter wellen sich, er verwelkt von Innen wie von Außen, und in den Nistfallen seines Körpers richten sich schon Essvögel ein! Ganz klar, das Herz des Aliens ist gebrochen, obwohl Fropome technisch gesehen gar keinen Herzmuskel hat, sondern ein Kapillarsystem. Doch das kann genauso leiden und brechen. So schmachtet Fropome also vor sich hin auf seiner Weide. Bis etwas wie eine Sternschnuppe vom Himmel fällt und Fropome die Möglichkeit bietet, sich weiter selbst zu quälen. Fortan ist es jedoch geteiltes Leid …
„Ungerade“ ist sicher keine große Story, aber deshalb umso vereinnahmender. Sie lebt vom humanen Charme des außerirdischen Liebeskummers, den gewitzten Pflanzen-Metaphern, die weit über alles in „Swamp Thing“ hinausgehen, ihrer Ironie und selbstverständlich der Pointe, sobald der Groschen gefallen ist. Dann ist „Ungerade“ sogar richtig makaber. Gut möglich übrigens, dass man die keine fünfzehn Seiten lange Geschichte umgehend ein zweites Mal liest, da sie nach der Erkenntnis, was da gegen Ende eigentlich passiert, einen heftigen Dreh kriegt. Realisieren ist gewissermaßen der Dünger des Begreifens und lässt die Bilder im Kopf prompt in eine andere Richtung wachsen und wuchern. Keine schlechte Leistung für so ein abseitiges, albernes Pflänzchen von einer Banks-Story.
Iain Banks: Ungerade ∙ Story ∙ Aus dem Englischen von Irene Bonhorst ∙ Enthalten in: „Ein Geschenk der Kultur“ ∙ Heyne E-Book: 3,99 € (im Shop)
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