Die mit Delfinen spricht
Eine Leseprobe von Michael Grumleys fesselndem Science-Thriller „Breakthrough“
Ein Geheimnis auf dem Grund des Ozeans, packende Action und tödliche Gefahren – das sind die Zutaten, die Michael Grumleys Science-Thriller „Breakthrough“ (im Shop) zu einem echten Pageturner machen. Als die Meeresbiologin Alison Shaw einen Weg findet, mit Delfinen zu kommunizieren, ahnt sie noch nicht, dass sie und ihre Schützlinge schon bald in ein mörderisches Komplott verwickelt sein werden, das die ganze Menschheit in ihren Grundfesten erschüttert.
Wir hatten „Breakthrough“ in einer Kurzreview bereits vorgestellt, seit 11.09.2017 ist der Roman nun endlich im Handel erhältlich, und wer erst mal reinschnuppern möchte, findet hier eine erste Leseprobe. Viel Vergnügen, bei der Lektüre!
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Chris Ramirez war immer wieder davon überrascht, wie viel an so einem Freitag passieren konnte. Nicht Samstag oder Sonntag – es war stets der letzte Schultag der Woche, der sich am geschäftigsten präsentierte. Dies lag natürlich an all den umliegenden Schulen, die den Freitag zum Ausflugstag erkoren hatten, sodass er vier strapaziöse Stunden am Stück den Gastgeber spielen durfte. Erst drei Wochen zuvor war Chris von dieser Aufgabe befreit worden, als ein neuer Fremdenführer angeheuert wurde. Jetzt aber musste er sich eingestehen, dass es nicht das Schlimmste war, die Kinder durch die Einrichtung zu schleusen. Allerdings störte ihn die Tatsache, dass ihre Aufnahmefähigkeit in dem Augenblick, als sie durch das Tor traten, auf null sank. Von dort konnten sie nämlich die Stars des Aquariums sehen: Die Delfine Dirk und Sally. Nicht dass er in ihrem Alter auch nur einen Deut anders gewesen wäre.
Er schlenderte durch den menschenleeren Empfangsraum und nippte an seinem Kaffee. Als er näher kam, lächelte er Betty hinter dem Auskunftsschalter sowie seiner Ablösung Al zu, der ihm einen Blick über die Schulter zuwarf und sich die Krawatte zurechtzog. Welch herrliche Tage diese neuen Freitage doch waren, an denen er wieder seiner wahren Aufgabe nachgehen konnte.
Chris warf einen Blick auf seine Armbanduhr: dreißig Minuten, bis sie die Tore öffneten. Er ging die Treppe hinab in den Keller des Aquariums. Dort stand er vor einer riesigen Wand aus Glas, hinter der circa fünf Millionen Liter Wasser umherschwappten. Auf der anderen Seite schimmerten die sanften Sonnenstrahlen durch das Wasser und erhellten das weiche Blau innerhalb des Beckens. Er beobachtete, wie die beiden Schatten mühelos durch die Sonnenstrahlen schossen. Die Delfine glitten mit einer Eleganz durch das Wasser, die nur ihnen vorbehalten war. Er hob den Kopf, um eine dritte Gestalt auszumachen. Sie winkte ihm zu. Er lächelte und tat es ihr gleich, indem er die Kaffeetasse vorsichtig durch die Luft hin und her schwenkte. Die Gestalt drehte sich um und schwamm zurück zu Dirk und Sally. Chris verschwand im Flur des Aquariums, betrat den der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Bereich, ging in das Labor und stellte seinen Rucksack auf den Schreibtisch.
Mit Delfinen zu schwimmen lag jenseits der Vorstellungskraft der meisten Menschen. Alison Shaw musste es wissen, schließlich tat sie es so oft wie nur möglich. Sie ließ so gut wie keinen Freitag aus, denn es war der eine Tag, an dem das Aquarium etwas später die Pforten öffnete, sodass eine Dreiviertelstunde zwischen dem Füttern und dem Öffnen der Anlage lag. Während der letzten fünf Jahre haben Dirk und Sally das gemeinsame Schwimmen erst so richtig zu schätzen gelernt, so viel war offensichtlich. Ständig wirbelten sie um sie herum, ließen ihre glatten Körper von ihren Händen berühren und stupsten sie abwechselnd spielerisch an, wenn sie unter ihr schwammen. Sie warf einen Blick auf die Uhr, tätschelte die beiden ein letztes Mal und glitt dann Richtung Leiter.
Alison tauchte auf und hielt sich an einer Sprosse fest, während sie ihre Tauchermaske reinigte. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie eine verzerrte Gestalt, die sich rasch auf sie zubewegte, blickte auf, nahm ihre beschlagene Maske ab und sah Chris über sich, der sie anlächelte.
»Warst du nicht gerade im Keller?«, fragte sie ihn und strich sich die Haare aus den Augen.
Er antwortete nicht.
Alison schaute erneut mit einem Blinzeln zu ihm auf. »Stimmt irgendetwas nicht?« Er strahlte weiterhin. »Warum lächelst du?«
Er beugte sich zu ihr hinab. »Ich glaube, dass du das mit eigenen Augen sehen willst.«
Sie riss die Augen weit auf. »ISIS?«
Chris nahm ihre Hand, zog sie aus dem Wasser und reichte ihr ein Handtuch. Sie trocknete sich rasch ab und zog ein langärmliges Hemd und eine kurze Hose aus ihrer Tasche. Chris und sie waren seit Jahren befreundet, was ihn aber nicht davon abhielt, heimlich ihren schlanken, durchtrainierten Körper zu bewundern. Auch wenn sie mehrere Zentimeter kleiner als die meisten war, so übertraf ihre Attraktivität den Durchschnitt bei Weitem – zumindest was Meeresbiologinnen anging. Noch während sie in ihre Sandalen glitt, eilten sie bereits durch den Zuschauertrakt und verschwanden dann im Inneren des Gebäudes.
Sie stürzten ins Labor, in dem Lee Kenwood an einem großen Schreibtisch voller Monitore und Tastaturen auf seinem angestammten Platz saß. Überall lagen Kabel auf dem Boden herum, sodass Alison glaubte, es würde sich um die Eingeweide einer Telefonschaltzentrale handeln. Hinter Lee standen diverse metallene Regale an der Wand, in denen Dutzende von Servern verbaut waren. In einem der mittleren Regale standen ein Monitor, eine Tastatur und eine Maus, um die verschiedenen Server zu konfigurieren, auch wenn dies eine Aufgabe war, der Lee sich nur selten annehmen musste. Zumindest nicht mehr. Mit der Vielzahl von Systemen auf seinem Schreibtisch war er nun in der Lage, sich auch über Remote-Zugriff mit dem Servern zu verbinden.
Die gegenüberliegende Wand bestand großteils aus dem Becken für die Delfine und war aus Glas, sodass man sie bestens beobachten konnte. Vor dem dicken Sicherheitsglas standen sechs mechanische Apparate, alle in verschiedenen Größen und von unterschiedlicher Komplexität. Auf jedem befand sich eine Videokamera. Diverse Dutzend Bücher sowie Magazine über Meeresbiologe, Linguistik und Maschinensprache lagen im Raum verstreut.
Alison machte sich zu Lees Schreibtisch auf, ehe ihre nasse Tasche auf dem Boden gelandet war. »Was ist denn los?«
Er warf Chris einen Blick durch seine rechteckige Brille zu. »Hast du es ihr denn nicht gesagt?«
Sie drängte ihn beiseite, bis sie den Monitor direkt vor Augen hatte. »Jetzt endlich raus mit der Sprache! Was ist passiert?«
Er stieß sich leicht von seinem Schreibtisch ab und rollte zurück, um ihr noch mehr Platz zu machen. »Sieht ganz so aus, als hätten wir es geschafft.«
»Bist du dir sicher?«, wollte sie sich vergewissern und drehte sich zum Becken um. Sie sah Dirk und Sally auf der anderen Seite, die bereits auf die erste Besucherwelle von Kindern warteten.
Kenwood grinste. »So gut wie.« Er rollte wieder zu seinem Schreibtisch zurück und klickte auf die Maus, bis verschiedene Ziffern und Resultate auf dem Bildschirm erschienen. »Siehst du? Frequenzen … Oktaven … Inflektionen …?«
»Und was ist mit den Klick-Intervallen und Wiederholungsraten?« Aufgeregt saugte sie die Informationen auf dem Bildschirm in sich ein.
»Alles da. Und wir haben eine ganze Reihe von Videopositionen für jeden einzelnen Posten.«
Hinter ihnen stürzte Frank Dubois in den Raum. »Habe gerade deine Nachricht erhalten. Was ist los?« Schon als das letzte Wort von seiner Zunge rollte, war ihm klar, dass er keine Antwort mehr brauchte. Er musste einfach nur in ihre Gesichter schauen, um zu wissen, was geschehen war. »Wollt ihr etwa damit sagen, dass ihr es tatsächlich geschafft habt?«
»Alles erledigt, Käpt’n«, grinste Lee. Er deutete auf den Monitor, als Dubois sich hinter Chris und Alison aufstellte, um auch einen Blick vom Geschehen zu erhaschen. »Sämtliche Variablen sind identifiziert. Und wenn ich sie alle addiere, erhalte ich beinahe die gleiche Anzahl wie auf den Videopositionen durch drei geteilt.« Er klickte auf einen weiteren Button, und das Systemlog erschien. »Und hier steht, dass wir die letzte Variable vor beinahe zwei Monaten gefunden haben, was so viel heißt, dass weder neue Verhaltensfaktoren noch Geräusche eingeflossen sind.« Er lehnte sich mit einem selbstzufriedenen Nicken zurück. »Das Paket ist geschnürt und abgestempelt!«
Alison lächelte. Lee war noch nie verlegen mit Worten gewesen. »Ich gehe mal davon aus, dass du bereits IBM informiert hast?«
Lee nickte. »Das habe ich. Die sind schon auf dem Weg, um alles zu verifizieren.«
Chris drehte sich zu den Delfinen um. »Wer kommt?«
Lee lächelte. »Äh … alle.«
»Fantastisch.« Dubois wandte sich ab und ging Richtung Tür. »Ich muss mal kurz telefonieren. Hast du heute schon etwas vor, Ali?«
Sie lachte. »Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Nun denn, dann komm mal wieder aus dem siebten Himmel herunter, und wenn du ein paar Minuten Zeit findest, kannst du mir behilflich sein, ein paar Zeilen zu schreiben. Wir müssen irgendetwas in Form einer Pressemitteilung formulieren.« Damit warf er die Tür hinter sich ins Schloss.
Michael Grumley: „Breakthrough“ ∙ Roman ∙ Aus dem Amerikanischen von Wally Anker ∙ Wilhelm Heyne Verlag, München 2017 ∙ 384 Seiten ∙ Preis des E-Books € 9,99 (im Shop)
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