„Fairy Tale“ von Stephen King
Der Meister und Bestsellerautor wird 75 – und schenkt uns ein Fantasy-Märchen
Happy Birthday! Heute wird der amerikanische Bestsellerautor Stephen King (im Shop), der die moderne Literatur und die gesamte Popkultur seit den 1970ern mit seinen fantastischen Pageturnern prägt, 75 Jahre alt. An seiner Präsenz ändert das rein gar nichts, im Gegenteil: Kings Output ist noch immer gigantisch und beeindruckend, außerdem twittert er viel und furchtlos, während obendrein mehr seiner Werke denn je in Form von Filmen oder Serien adaptiert werden. Kings deutscher Heimatverlag Heyne zelebriert den Meisterautor aus Maine, dessen weltweit 400 Mio. Mal verkaufte Bücher Menschen aus allen Generationen und Gesellschaftsschichten begeistern, gleich mit mehreren Veröffentlichungen: Mit der sechsbändigen Stephen King Edition (im Shop) im schön aufgemachten Taschenbuch, die zwischen „Friedhof der Kuscheltiere“ und „Joyland“ Kings ganze Bandbreite würdigt (im Shop); mit der limitierten, illustrierten Prachtausgabe des Über-Kings „Es“ (im Shop); und natürlich mit der druckfrischen deutschsprachigen Erstveröffentlichung von „Fairy Tale“ (im Shop), dem neuesten King.
Bei diesem wieder mal rund 900 Seiten starken Roman handelt es sich um lupenreine Fantasy, wie Stephen King sie in seiner großen, beispiellosen Karriere nur selten geschrieben hat – u. a. in „Der Talisman“ (im Shop) zusammen mit seinem Kollegen Peter Straub, der leider am US-Release-Day von „Fairy Tale“ verstorben ist, weshalb King den Erstverkaufstag seines neuen Buches auf Twitter mit einem lachenden und einem weinenden Auge begehen musste. „Fairy Tale“ beginnt mit dem 17-jährigen Charlie Reade. King gönnt sich, uns und Charlie rund 300 Seiten mit seinem sympathischem Ich-Erzähler in der bittersüßen Realität, wie sie nur wenige besser beschreiben können als der 1947 geborene Weltklasseerzähler. Charlie erinnert sich an seine Jugend in der Kleinstadt Sentry’s Rest, wo es aufgrund des Unfalltods seiner Mutter und der Alkoholsucht seines Vaters nicht immer leicht gewesen ist. Aber die Dinge fangen sich, und so ist Charlie zur Stelle, als der misanthropische alte Mr. Bowditch von einer Leiter fällt und Hilfe braucht. Charlie freundet sich mit dem mürrischen alten Mann aus dem noch älteren Haus an und schließt nicht zuletzt dessen treue Schäferhündin Radar ins Herz. Das geht so weit, dass Bowditch Charlie das Geheimnis seines Schuppens im Garten verrät: In dem führt nämlich eine lange Wendeltreppe hinab in eine fremde, fantastische Märchenwelt, wo man Reichtum und Unsterblichkeit erlangen kann, allerdings auch eine böse Königin herrscht und ein tödlicher Fluch die Bewohner knechtet …
„Fairy Tale“ (im Englischen bedeutet der Titel übrigens schlicht Märchen) ist also wirklich kein klassischer King-Thrill, aber dennoch ein klassischer King: Deshalb begegnet uns der Horror zunächst in Form von Abhängigkeit, Verlust, Krankheit, Gier und Pflegebedürftigkeit, was Mr. King durch seinen wie gewohnt wunderbar süffigen und unprätentiösen Erzählton sowie Anspielungen auf seinen eigenen literarischen Kosmos auflockert. Erst danach öffnen sich die Pforten ins King’sche Märchenreich – und die Geschichte wird sogar zum Meta-Märchen, zur Meta-Fantasy. Denn King und Charlie sind sich nicht bloß Märchenklassikern wie „Jack und die Bohnenranke“ oder „Rumpelstilzchen“ bewusst, sondern auch dem ersten uramerikanischen Märchen „Der Zauberer von Oz“ nach L. Frank Baum, Ray Bradburys „Das böse kommt auf leisen Sohlen“ und selbst „Star Wars“. King schöpft aus all diesen Werken, und Charlie nutzt sie auf seiner Heldenreise ungeniert als Referenzpunkte.
Am Ende präsentiert sich „Fairy Tale“ als ein Fantasy-Schmöker, den man am liebsten mit 14 oder 15 gelesen hätte. Aber zu den großen Freuden als Stephen Kings-Fan zählt ja mitunter die Genre-Nostalgie, die wiederum von seinem Schaffen aus ziemlich genau einem halben Jahrhundert mitdefiniert wurde und bis heute multimedial davon durchzogen ist. So, wie es zur märchenhaften Karriere des Ausnahmeautors von über 60 Romanen und 200 Erzählungen gehört, dass er seit Jahren nur noch das schreibt, worauf er gerade Lust hat. Als Gefolgsleser des Königs weiß man nie, ob der nächste King Horror, Weird Fiction, Noir-Krimi oder eben klassische Fantasy sein wird – nur, dass Märchenonkel Stephen King einen noch immer scheinbar mühelos in jede Geschichte, jede Welt, jedes Buch und seinen ungebrochenen Bann ziehen kann.
Stephen King: Fairy Tale • Roman • Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt • Wilhelm Heyne Verlag, München 2022 • 880 Seiten • Erhältlich als Hardcover, eBook, Hörbuch MP3-CD und Hörbuch Download • Preis des Hardcovers: € 28,00 • im Shop
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